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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Twin Paradox

Loran Witteveen Trio

Winter&Winter/Edel 1002612WIN
(47 Min., 11/2017)

Darf es ein bisschen Physik sein? Albert Einstein errechnete einst, dass Zeit und Bewegung einander bedingen. „Das Zwillingsparadoxon, auch Uhrenparadoxon, ist ein Gedankenexperiment, das einen scheinbaren Widerspruch in der speziellen Relativitätstheorie beschreibt. Im Gedankenexperiment fliegt ein Zwilling mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zu einem fernen Stern, während der andere Zwilling auf der Erde zurückbleibt. Anschließend kehrt der reisende Zwilling mit derselben Geschwindigkeit wieder zurück. Nach der Rückkehr auf die Erde stellt sich heraus, dass der dort zurückgebliebene Zwilling älter geworden ist als der Gereiste. Dies ist eine Folge der Zeitdilatation.“ Soweit Wikipedia.
Der holländische Pianist Loran Witteveen ließ sich von dieser Theorie zu elf Kompositionen für sein Klaviertrio inspirieren. Sie beginnen allesamt mit nachvollziehbaren, einprägsamen Einleitungen. Doch daraus entwickelt sich – anders als bei den meisten Klaviertrios – keine tragende Melodie, kein packender Groove und keine träumerische Fortschreibung einer Idee. Stattdessen lassen Witteveen, der Kontrabassist Clemens van der Feen und der Schlagzeuger Tristan Renfrow die Töne und Rhythmen auseinander diffundieren und zusammenfinden, wobei sie sich in beiden Richtungen dennoch aufeinander beziehen.
Dies ist kein Ergebnis spontaner Improvisationen, sondern Resultat eines wohldurchdachten Kalküls. So legte Witteven beispielsweise für „Bouncing Ball“ fest, dass sich die Länge von Melodie und Gegenmelodie um ein Sechzehntel unterscheiden, wobei mal die eine, mal die andere länger ausfällt. Für „Sidamo“ verlangt Witteveen, dass die Triopartner zwar denselben Rhythmus spielen, aber in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. In „Elasticity“ stehen dem Trio drei Melodien in drei verschiedenen Geschwindigkeiten zur Verfügung – die Zeit scheint sich also entweder zu dehnen oder aber zu verdichten.
Bei allen Stücken ist zu spüren, dass sie festen Regeln folgen, die sich beim Hören kaum erschließen lassen. Ihr mathematisch-philosophisches Geheimnis zu knacken, kann auch kaum die Aufgabe des Hörers sein. Viel interessanter ist, wie in jedem Stück andere Spannungsverhältnisse entstehen, wobei einem die einzelnen Elemente zwar auf immer wieder andere Art bekannt vorkommen, sich aber auch Fremdes einmischt und dadurch ein gänzlich ungewohnter musikalischer Sog mit Schwebezuständen an unerwarteten Punkten entsteht. Das kann verwirren. Andererseits fasziniert es.

Werner Stiefele, 14.12.2019


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