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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Gap

Marie Spaemann

Anthropoet/Broken Silence 16933
(46 Min.)

„Mind the gap.“ Wer in London schon mal U-Bahn gefahren ist, kennt den sonoren Sicherheitshinweis. Das Credo der Debüteinspielung der österreichischen Cellistin und Sängerin Marie Spaemann lautet genau andersherum: „Donʼt mind the gap“, macht euch bloß nicht allzu viele Gedanken über die trennenden Lücken zwischen den Genres.
Diese Haltung personifiziert die 1988 geborene Wienerin aufs Bemerkenswerteste. Sie ist in der Welt der Klassik genauso zu Hause wie in den Gefilden des Jazz, sie kennt sich mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten von analogem Instrumentarium genauso gut aus wie mit den Entwicklungen des ambitionierten Pop und Soul der vergangenen Jahre.
Und so klingt denn auch ihr Erstling, den sie selbstbewusst im Alleingang aufgenommen hat. In den ersten acht Stücken auf „Gap“ ersetzt das Cello eine ganze Band. Spaemann benutzt es mal als knorrig schnurrenden Kontrabass, mal als perlend gezupfte Gitarre, gestrichen dient es als droniges Keyboardsubstitut, geklopft als Perkussionsgerät. Im Jazzidiom soliert wird auf dem Cello auch, und zwar in dem „Cure“-Cover „Lovesong“.
Das alles erweist sich als notwendige und organische Grundlage für Spaemanns Kompositionen, die zeigen, dass die Österreicherin auch mühelos als Pop- und Soulsängerin Karriere machen könnte, irgendwo zwischen Adele, Kate Nash und den mehrstimmigen Overdubkunststücken einer Camille oder eines Jacob Collier. Wenn man im Jazzbereich nach einer vergleichbar mehrfach talentierten Saiten- und Stimmband-Künstlerin sucht, drängt sich der Vergleich mit Esperanza Spalding auf.
Ihre klassische Ausbildung verleugnet Spaemann gleichwohl nicht. Mit der Sarabande und der Gigue aus Bachs zweiter Cello-Suite zeigt sie sich als muskulöse, scharf streichende Interpretin. Und Gaspar Cassadós „Prelude“ lässt sie mit einem arabischen und israelischen Volkslied zusammenfließen. Man sieht: Spaemann geht es nicht nur um die Beseitigung stilistischer, sondern auch politischer Gräben.

Josef Engels, 04.01.2020


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