Virgin Classics 0 94635 93092 4
(54 Min., 2/2006) 1 CD
Noch eine französische Mozart-Großtat! Nachdem Emmanuel Krevine zu Beginn des Trubeljahres 2006 eine tiefgründige und klangfarbenintensive c-Moll-Messe präsentiert hatte (siehe Rezension), stellt sein Landsmann Louis Langrée nun das Werk als Jubelmesse par excellence vor. Ob er dabei an die biografischen Entstehungsumstände gedacht hat? Auch wenn man beim Salzburger Genie bekanntlich kaum vom Privaten aufs Professionelle schließen darf, so schwebt doch das frische Eheglück des 26-Jährigen - seiner Frau schrieb er die Partie des ersten Soprans auf den Leib -, die Erwartung des ersten Kindes und die Freiheitseuphorie nach der Loslösung vom verhassten Salzburger erzbischöflichen Dienstherrn über diesem Gotteslob. (Dass Mozart das Glück mit väterlicher Enterbung erkaufen musste und dass der Säugling bald nach der Salzburger Uraufführung der Messe verstarb, ist der Komposition allerdings nicht anzumerken - auch nicht die Tatsache, dass der Versuch, den Vater mit dem gottesfürchtigen Werk versöhnlich zu stimmen, misslang.)
Bei Langrée jedenfalls ist der Gloria-Jubel oberste Interpretationsmaxime. Selbst die "dunklen" Liturgie-Abschnitte bleiben davon nicht unberührt: So wird das gewichtige "Qui tollis" nicht zur verzweifelten Sündenbekundung, sondern - mit Langrées überaus harschen Punktierungen - zur trotzig-herrischen Anklage. Schon den c-Moll-Kyrie-Beginn inszeniert Langrée im Unterschied zu Krevine nicht im verhaltenen Trauerduktus, sondern treibt ihn förmlich in lichtere Gefilde hinauf - als warte er ungeduldig auf die Gloria-Entladung. Geradezu frenetisch wird diese dann intoniert, wobei die Schlagkraft der beiden "Concert d‘Astrée"-Ensembles keine dumpf-donnernde, sondern eine punktgenaue, schlanke, federnde ist. Dass solche Begeisterung sich am Rande des technisch Möglichen bewegt, zeigen wiederum die Fugen des "Cum Sancto Spiritu" und "Hosanna", die unter Langrées Tempowahl zu halsbrecherischen Kabinettstücken barock-polyphoner Virtuosität werden.
Auch die Solistenriege erweckt beim Hörer euphorische Gefühle. Konnte man schon bei Krevines Aufnahme von einem Sopran-Glücksgriff sprechen (mit Sandrine Piau und Anne-Lise Sollied), so gilt dies erst recht für die kristallinklare, schwerelose Kunst des französische Spitzen-Duos Natalie Dessay und Véronique Gens, die ihre Arien respektive Duette zu subtilsten Gefühlsbekundungen (auf liturgischem Terrain!) gestalten. Wobei Frau Gens allerdings bei der Delikatesse ihrer Verzierungen eine Spur zuviel Vibrato aufträgt - ein kleines Manko übrigens auch der oft dominanten Chorsopranistinnen. Nicht unerwähnt bleiben darf Langrées dynamisch pulsierendes Raffinement, das das Quoniam-Terzett zu einem der berückendsten Mozart-Erlebnisse dieses Jahres macht. Dass schließlich noch Mozarts ergreifende Maurerische Trauermusik beigegeben wurde, hatte wohl weniger thematische als zeitliche (Zugabe-)Gründe, verbleibt Langrée mit der Missa doch bemerkenswerterweise unter der 50-Minuten-Grenze!
Christoph Braun, 05.01.2007
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