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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Live in Paris

Elliot Galvin

Edition Records/Membran EDN1146
(41 Min., 5/2018)

Er macht es wie Keith Jarrett oder Cecil Taylor: Elliot Galvin geht auf die Bühne, hat keinen Plan für seinen Auftritt, aber einen Kopf voll Musik, die sich spontan entwickelt, durch seinen Körper und den Flügel zu Klang wird, auf das Publikum und den Raum wirkt und auf diesem Rückkanal neue Musik aus ihm herausholt. Ein Konzert so zu gestalten ist riskant, denn dieses Verfahren birgt die Gefahr von Leerlauf in sich. Oder aber es bringt – wie Galvins Konzert vom 9. Mai 2018 in der Pariser Foundation Louis Vuitton – eine Fülle spontaner, überraschender Entwicklungen.
Ein abwärts gerichteter Lauf, eine Gegenbewegung, rauf und runter, innehalten, die Finger in den höheren Lagen tanzen lassen, Akkorde unterfüttern, kreisende Bewegungen, die in einem dunklen Einzelton münden: So beginnt „As Above“, zu dem es zumindest auf der CD kein Vorspiel gibt und bei dem auch die linke Hand nicht nachvollzieht, was die rechte weiter oben gespielt hat. Ansätze einer singbaren Melodie verhuschen ebenso schnell, wie sie entstehen. Sie weichen einem lyrischen Zwischenspiel und wuchtigen Bewegungen, die in mit der Hand abgedämpfte Klänge übergehen.
Für Elliot Galvin umfasst der Flügel mehr als 88 Tasten. Wenn er in „Time And Everything“ ins Innere des Instruments greift, wird es zur großen Harfe, dessen Saiten er kratzen und dehnen kann – manchmal auch, während er mit der anderen Hand gegen das Geräuschhafte anspielt. Melodien und rhythmische Figuren entstehen und versinken, Akkorde türmen sich in „Coda“, und „For J.S.“ weckt – trotz des freien Spiels – stellenweise Erinnerungen an barocke Formen. Zart und bedächtig wirkt hingegen „Broken Windows“, während „So Below“ die ungestüme, wilde Atmosphäre von „As Above“ mit neuem Material wieder aufleben lässt.
Die Ideen sprudeln, die Töne flirren, rasen, halten inne, drehen und wenden sich, verzaubern und verstören, beruhigen sich und preschen los. Trotzdem bleibt das Chaos aus, denn Elliot Galvin führt jede Idee so lange weiter, bis sich ein Hauch von Kontinuität und Form einstellt. Hingeworfenes wird weiterentwickelt, findet seine Antwort, schafft sogar für kurze Momente Vertrautheit und macht Neuem Platz, und verrät viel vom Spaß, Humor und Spielwitz des britischen Pianisten.

Werner Stiefele, 25.01.2020


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