Ricercar/Note 1 RIC406
(58 Min., 11/2018)
Die Gattungsbezeichnung „Motette“ verweist im Laufe der Musikgeschichte nicht immer auf das, was wir heute in erster Linie darunter verstehen: ein vokalpolyphones Stück in imitatorischer Satzart. So nämlich wurde die Motette vor allem in der Renaissance und im kirchenmusikalisch partiell retrospektiven 19. Jahrhundert verstanden und komponiert. Die Meister der Frühbarockzeit hingegen übernahmen den Begriff auch für ihre vielfältigst ausgestalteten generalbassbegleiteten Monodien – ein Gebiet, das die ganze Faszination der Musiker jener Zeit über die immer noch neuartigen Möglichkeiten solistischen Singens und Spielens widerspiegelt. Einerseits begeisterte man sich an der Virtuosität, die nun auf allen Ebenen möglich war, andererseits nutzte man ausgiebig die Chancen für eine expressive Umsetzung der sprachlichen Deklamation in effektvollen Kantilenen. Zu den norditalienischen Meistern dieser Art von Motette gehört Giovanni Paolo Colonna (1637–1695), geboren in Bologna, ausgebildet unter anderem bei Giacomo Carissimi in Rom und danach wieder in Bologna tätig. Seine zwei- und dreistimmigen Motetten op. 3 erschienen 1681. Es handelt sich um teils hochvirtuose Vertonungen bibelbasierter poetischer Texte, die unter anderem auf das „Hohelied“ Bezug nehmen. Die Stücke werden ergänzt durch einige Instrumentalstücke, besetzt mit unterschiedlichen Kombinationen aus Lauteninstrumenten und Orgel. In den ebenfalls verschieden besetzten Gesangsstücken überzeugen besonders die drei Sopranistinnen des Ensembles durch Wohlklang und Wendigkeit. Insgesamt bewegt sich die Einspielung des interpretatorisch höchst anspruchsvollen Repertoires auf dem hohen Niveau, das Nicolas Achten (selbst als Sänger und Theorbist dabei) und sein Ensemble stets bieten: erstklassiges Zusammenspiel, differenzierte Ausgestaltung der Continuopartie, stupend selbstverständlicher Umgang mit selten zu hörender Musik von bemerkenswerter Komplexität. Ein Gewinn.
Michael Wersin, 21.03.2020
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