Nur wenige Jazzmusiker schrieben so wunderbare Melodien wie der Gitarrist Volker Kriegel. Siebzehn Jahre liegt es nun schon zurück, dass der Frankfurter am 14. Juni 2003 rund ein halbes Jahr vor seinem sechzigsten Geburtstag an Zungenbodenkrebs starb. Hinterlassen hat er eine Reihe von Essays, Kinderbüchern, außerdem eine Menge witziger Zeichnungen und Karikaturen sowie rund zwanzig Alben mit seinen eigenen Bands, die anfangs nur den Namen des Bandleaders trugen, später aber auch als „Spectrum“ und „Mild Maniac Orchestra“ firmierten. Hinzu kommen acht mit dem United Jazz + Rock Orchestra (UJRE), einer Bigband der Bandleader, zu deren Gründungsmitgliedern er zählte.
Bei einigen seiner Arrangements für die Frankfurt Radio Big Band (so die internationale Bezeichnung der HR Big Band) lehnt sich Jim McNeely stark an den kompakten Sound an, in dem Kriegel seine eigenen Stücke für das UJRE arrangierte, meidet jedoch Repertoireüberschneidungen mit diesem Tentett. In dieser Umgebung orientieren sich die Gast-Gitarristen John Schröder und Jesse van Ruller sowie der Stammgitarrist der Radio Big Band, Martin Scales, an Kriegels weichem, melodischem Spiel, ohne diesen zu kopieren.
Die acht Titel der Live-CD vom November 2018 entstammen Kriegels Alben „Lift“, „Mild Maniac“, dem Frühwerk „With A Little Help From My Friends“ und Kriegels Meisterwerk, dem Doppelalbum „Missing Link“. Durch die große Besetzung verändert sich ihr Charakter; die für Kriegel typische, von untergründigem Humor geprägte Haltung geht dabei stellenweise verloren. Andererseits unterstreichen die Big Band und die drei Gitarristen, wie zeitlos Kriegels Kompositionen waren. Noch ein Tipp für eingefleischte Kriegel-Fans: Ein Live-Video auf der Homepage der HR Bigband enthält die zusätzlichen Titel „Für Hector“, „The E Again“, „Between The Seasons“ und „Ach China“.

Werner Stiefele, 18.07.2020

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