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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Sie konnte es nicht ahnen, aber wohl selten war eine Klassikkünstlerin so topaktuell. Obwohl diese Töne erst im Juni aufgenommen wurden. Doch mit den schütteren, ganz auf ihre melodisch feine Essenz reduzierten Akkorden von Ennio Morricones „Deborah’s Theme“ aus „Es war einmal in Amerika“ und der von Juliette Gréco unsterblich gemachte jazzig-verfüherischen „La Javanaise“ von Serge Gainsbourg entbietet Khatia Buniatishvili zwei großen, eben erst verstorbenen Künstlern anderer Genres eine berührende Hommage. Oder sind die nicht ohnehin längst in den Olymp der Klassik eingemeindet? Ja, wenn man das jüngste Album der georgischen Pianistin hört. Nach zwei puren Alben mit Musik von Sergei Rachmaninow und Franz Schubert hat die impulsive Georgierin wieder einmal eine Konzept-CD eingespielt, ihre dritte. Und in der Tat: „Labyrinth“ mäandert auf verwachsen-verwunschenen Pfaden, führt vom Dunkel ins Licht, schweigt sogar einmal genau 4′33″ mit John Cage (nur von Ferne sind Vögel zu hören), eingebettet zwischen die Consolation d-Moll Franz Liszts und die Bach-Bearbeitung eines Marcello-Adagios als kontemplatives Finale. Es ist eine eklektische, auch exzentrische Mischung von kleinen Solostücken, die Buniatishvili da mixt und aneinanderreiht. Chopins Prélude in e-Moll wechselt zu György Ligetis hart im Diskant verklingenden Arc-en-ciel, dem die zunächst etwas klapprig gespielte Flöten-Badinerie aus Bachs zweiter Orchestersuite folgt. Bach ist mit drei Beiträgen auch so etwas wie der rote Ariadne-Faden durch diesen apart tönenden Irrgarten, wo unmittelbar Brahms (a-Moll-Intermezzo) auf Arvo Pärts „Pari intervallo“ trifft. Warum „Labyrinth“? Die Interpretin schlägt poetische Stückerklärungen für diese klangliche Lebensreise als Film mit Ecken und Abbiegungen vor. Schicksal und Schöpfung umkreist sie hier, in nachdenklicher Stimmung, schön und tröstlich.

Matthias Siehler, 24.10.2020


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Kommentare

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gemihaus
In synästhetischer Analogie verspricht hier schon das Kathia-Cover ihrer neuen CD eine reizvoll musikalische Blaue Stunde aus dem Reich divers klassisch an-klingender Musen ... subtil zelebriert und geschmäcklerisch serviert, und nur für schlicht saturierte Feingeister im vernebelten Sinnesrausch - feuchter Absacker, erlöse mich.


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Der Komponist Giacomo Orefice (1865–1922) wuchs in einer jüdischen Familie im norditalienischen Vicenza auf und ist vor allem für sein Opernschaffen bekannt. Auch als Pädagoge macht er sich einen Namen, sein berühmtester Schüler war der Filmkomponist Nino Rota. Orefices bekanntestes Musiktheaterwerk ist „Chopin“, für das er die Klavierwerke des polnischen Komponisten orchestrierte. Seine eigene Klaviermusik umfasst überwiegend romantische Charakterstücke, die von Gedichten, […] mehr


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