BR-KLASSIK/Naxos 900635
(67 Min., 1/2018, 12/2017, 2/2015)
Rebecca Saunders bewegt sich mit ihren Werken vorrangig im Spannungsfeld aus Stille und Nicht-Stille. Doch im Gegensatz zu ähnlich klangdenkenden Komponistenkollegen wie Morton Feldman folgen die Resultate der Engländerin und Wahl-Berliner keiner nur annähernd voraussehbaren Strategie. Alles ist möglich – zwischen den Extremen, zwischen scheinbar völliger Lautlosigkeit und ohrenbetäubender Wucht. Und jede einzelne Note entwickelt da eine geradezu physisch anspringende Kraft, die den Interpreten fast aus der Bahn zu werfen scheint und den Hörer umzuwerfen droht. Dies bildet nun auch den roten Faden durch drei Werke, die im Rahmen der verdienstvollen Münchner Konzertreihe „musica viva“ aufgeführt wurden und nun als Live-Mitschnitte gebündelt vorliegen. Alle drei Kompositionen verdanken ihre Entstehung auch im allerengsten Bündnissen mit den Solisten. In „Still“ für Violine und Orchester (2011) misst Carolin Widmann ihren geräuschhaften, sich wild von innen nach außen stülpenden Part atemberaubend aus. Das rund halbstündige, 2016 beendete Duo „Aether“, dessen Deutsche Erstaufführung jetzt zu hören ist, entpuppt sich dank der beiden Bassklarinettisten Carl Rosman und Richard Haynes als ein seismografisch hochfeiner Klangprozess, der aus der sanften Minimal-Music-Rotation ins Übergrelle ausschlägt. Und bei „Alba“ für Trompete und Orchester von 2014 ist es Marco Blaauw, der mit dem diesmal von Peter Eötvös geleiteten Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks über eine Viertelstunde lang ganz langsam, aber eindringlich ein fulminantes Panorama an Farben und Zwischentönen entwickelt – bevor dieses faszinierende Klangkörperwesen sich wieder seiner inneren Ruhe bewusst zu werden scheint. Saunders komponiert einfach anspruchsvolle Musik, die einer (stets sinnlichen) Entdeckungsreise von Klanglandschaften jenseits des Gewohnten gleicht. Was kann man sich von zeitgenössischer Musik mehr erhoffen.
Guido Fischer, 31.10.2020
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