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N° 1353
13. - 21.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Marc-Antoine Charpentier, Tarquinio Merula, Francesco Cavalli u. a.

Messe à quatre Chœurs

Ensemble Correspondances, Sébastian Daucé

harmonia mundi HMM 902640
(79 Min., 6/2016)

Über den Einfluss der italienischen Kompositions- und Musizierpraxis auf die deutsche seit dem Frühbarock wurde viel diskutiert und geschrieben: Mit einem Meister wie Heinrich Schütz wird diese Verbindung von Anfang an durch einen prominenten Namen repräsentiert und illustriert. Viel weniger wurde dagegen über eine etwaige Beeinflussung des französischen Musiklebens durch das italienische Idiom gesprochen. Und in der Tat: Die Franzosen haben im 17. Jahrhundert offenbar aus sich selbst einen so starken, typischen Tonfall entwickelt, dass Stilelemente aus den Kulturzentren südlich der Alpen, so scheint es, gar keinen Platz in der Praxis finden konnten. Freilich, Jean-Baptiste Lully, einer der einflussreichsten Musiker jener Zeit in Frankreich, stammte aus Italien. Aber er hatte das heimatliche Florenz schon mit vierzehn Jahren verlassen und prägte später maßgeblich gerade die französische Stilistik. Lullys Zeitgenosse und Kollege Marc-Antoine Charpentier kam als erwachsener Mann immerhin in den Genuss eines dreijährigen Rom-Aufenthaltes, den ihm seine Gönnerin, die Duchesse de Guise, ermöglichte. Die These des Beihefttextes dieser CD ist, dass ihn nicht nur das römische Musikleben, sondern auch dasjenige der norditalienischen Gegenden, die er für die Romfahrt zweimal durchreist hat, beeinflusst haben muss. Entsprechend hören wir prachtvolle vokal-instrumentale Musik in mehrchöriger Anlage aus Bologna, Venedig, Cremona – und auch aus Rom. Das Programm läuft auf Charpentiers eigene vierchörige Messe zu, die dieser wohl Anfang der 1670er-Jahre komponierte. Er demonstrierte damit weit mehr als nur die epigonale Übernahme von in Italien Gehörtem: Vielmehr ist hautnah zu erleben, dass Charpentier sich einen ganz eigenständigen, kreativen Umgang mit den vielfältigen italienischen Techniken angeeignet hat. Leider blieb das Stück singulär in der gesamten barocken französischen Musikgeschichte. Umso erhebender ist es, die „Messe à quatre chœurs“ auf dieser CD in einer wahrhaft klangprächtigen, wundervoll farbenreichen, perfekt intonierten Version zu hören – eingebettet in nicht minder hörenswerte Beispiele der italienischen Tradition, durch die Charpentier so nachhaltige Inspiration erfahren hat. Eine überaus prachtvolle Angelegenheit von der ersten bis zur letzten Minute.

Michael Wersin, 05.12.2020


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