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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Sein Gespür fürs Musiktheatralische hat Johannes Kalitzke sicherlich auch von seinem alten Lehrer York Höller geerbt. Doch Höller muss ihm darüber hinaus die Musik eines Komponistenkollegen nähergebracht haben, bei dem er noch studieren konnte: Bernd Alois Zimmermann. An dessen undogmatischen Neue-Musik-Begriff, polystilistisch neu interpretiert etwa in seiner epochalen Oper „Die Soldaten“, sollte Kalitzke nämlich 2016 unüberhörbar in seiner Komposition „Story Teller“ für Cello und Orchester erinnern. Aus sechs Sätzen besteht dieses dauerbrodelnde, auch von Jazzsplittern und der Wucht fernöstlicher Archaik aufgepeitsche und sich dann wieder entlang schaler Cello-Kantilenen wehmütig einigelnde Instrumentaldrama. Wobei die Titel der einzelnen Stationen keine Gedankenbilderstützen sind, sondern höchstens als assoziationsreiche Fährten gedacht sind. „Schaukel“, „Eiserne Puppe“ oder „Bett im Licht“ lauten sie. Die Klangräume und Raumklänge, die Kalitzke drum herum entwickelt, besitzen immerhin ähnlich gespenstische, fragende und durchaus verstörende Züge, die sich vom Solisten herüber zum (vollbesetzten) Orchester und wieder zurück schlängeln. Kalitzke leitet dabei das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin. Und Johannes Moser meistert seinen monströs zerklüfteten Part spektakulär bravourös.
Noch geheimnisvoller und fahler geht es im zweiten Hauptwerk dieser Einspielung zu, in „Figuren am Horizont“ für Solo-Violine und sechs Instrumentalisten. Jeder der diesmal fünf Sätze, die solche Titel wie „Skizze für ein unbewohnbares Haus“ und „Travestie de Tristano“ tragen, ist als eine Art Abschiedsgruß an verstorbene Komponisten gedacht (um wen es sich dabei handelt, hat Kalitzke jedoch nicht verraten). Und zusammen mit den sechs Instrumentalisten des „österreichischen ensemble für neue musik oenm“ präsentiert nun die phänomenale Violinistin Ivana Pristašová bedrohlich wankende, in ihrer scheinbaren Ruhe dennoch aus dem Ruder laufende Tongebilde. Derweil geht einem beim Zuhören der Puls vor Spannung langsam nach oben.

Guido Fischer, 12.12.2020


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