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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Stardust Crystals

Yumi Ito

Unit/Membran UTR4946
(43 Min., 11/2018)

Seien wir ehrlich: Rein vom Inhalt her machen die Stücke auf der zweiten Einspielung der Schweizer Sängerin Yumi Ito nicht wirklich gute Laune. In der Titelnummer „Stardust Crystals“ geht es etwa um Umweltzerstörung und die Hybris des Menschen, in „Ballad For The Unknown“ um den Heroin-Drogentod eines namenlosen Nachbarn, in „Little Things“ um eine Freundin in der Nervenheilanstalt und in „When The Lights Go Down“ um fürchterliche Einsamkeit.
Dass man nach dem Abhören der Aufnahme jedoch nicht gleich ins Wasser gehen will, sondern stattdessen geradezu beschwingt und voller Lebenslust ist, liegt an einem Wagnis, das die Tochter einer polnischen Opernsängerin und eines japanischen Konzertpianisten eingegangen ist: Anstatt einer intimen Kammermusik-Combo wählte sie für die Instrumentierung ihrer nachdenklichen Klagelieder eine zehnköpfige Formation aus. Und die ist mit Streichtrio, Flöte und Holzgebläse, Harfe, Mallets, Daumenklavier, Zimbeln, Kontrabass und Drums auch noch ziemlich außergewöhnlich besetzt.
Was bestens zu den Kompositionen Itos passt, die sich nicht so leicht à la Marie Kondo in eine Schublade falten lassen. Unbekümmert, aber gleichzeitig extrem aufmerksam arrangiert changieren sie zwischen Art-Pop und Neo-Klassik, sind durchzogen von Jazzsensibilität sowie einem Hauch Fernost (wie etwa in dem Stück „Old Redwood Tree”, in dem die Harfe von Esther Sévérac ein wenig so klingt wie eine japanische Koto) und machen eines ganz klar: Mag die Sängerin auch über noch so betrübliche Dinge erzählen – sie ist keineswegs allein, sondern Teil eines mitfühlenden Organismus in Form einer verschworenen Orchestereinheit, in der eine Harfe durchaus mal ein Solo spielen darf und Saxofone im Gegenzug die Begleitaufgaben einer Streichersektion übernehmen können.
Als ähnlich proteushaft erweist sich auch die Stimmenvielfalt der Bandleaderin. Ito kann gleichermaßen virtuos wie verstörend scatten (Ersteres zeigt sie unter anderem im Titelstück, Letzteres im von heftigen hexenhaften Ausbrüchen bestimmten Album-Abschluss „Spaziergang in Prag“), sirenenhaft sirren oder leicht überspannt die Björk oder Kate Nash geben. Dadurch, dass sie immer wieder die rechte Balance zwischen Formbewusstsein und Gefühlsausbruch findet, wird „Stardust Crystals“ zu einer der Album-Entdeckungen des Jahres.

Josef Engels, 12.12.2020


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