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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Jazz – Sinfonie in G und andere

Friedrich Gulda

SWR Music/Naxos SWR19096CD
(69 Min., 11/1970 & 6/1971)

Friedrich Gulda, das war doch … Ja, wer war das? Der feinfühlige Mozart-Interpret? Der aufwühlende Beethoven-Versteher? Der nassforsche Free-Jazzer? Der verspielte Solo- und Trio-Jazzer? Oder der skurrile Chansonfreund? Eine Anekdote existiert in verschiedenen Formen. So soll er zu Beginn eines Mozartabends verkündet haben, er habe keine Lust auf Mozart und wolle lieber jazzen. Türenknallend hätten einige Besucher den Saal verlassen. Seine Reaktion: „Jetzt, wo dʼ Arschlöcher draußen sind, machʼ meraʼn Mozart.“ Entweder ist die Geschichte gut erfunden. Oder sie hat sich tatsächlich so oder ähnlich zugetragen. Auf alle Fälle passt sie zu dem unorthodoxen Virtuosen, dem seine Klassikwelt zu eng war und der nach Neuem gierte.
Guldas Kompositionen für Klavier, seine Crossover-Werke zwischen Klassik und Jazz, seine Befreiungsschläge gerieten ob seiner brillanten Klassikinterpretationen fast in Vergessenheit. Nun erinnern zwei Schätze aus dem Archiv des SWR an diesen anderen, unterschätzten Gulda: Seine „Sinfonie in G“, die er am 20. November 1970 als Dirigent des Radio-Orchesters Stuttgart und des Südfunk-Tanzorchester aufführte, sowie sein Konzert vom 6. Juni 1971 bei den Heidelberger Jazztagen sind Preziosen des anderen, nicht-klassischen Gulda, der sich im sogenannten U-Bereich der Musik auskannte und diese „Unterhaltungsmusik“ als eine etwas andere Form der „E-Musik“ sehr ernst nahm.
Die Sinfonie ist leicht als Kind aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts zu erkennen. Sie enthält filmmusikalische Sequenzen, die an die Romantik blühender Wiesen erinnern, verträumte Momente nachfühlbar machen oder auch Krimi-Atmosphäre schaffen. Die Geigen sirren und weinen, die Bigband entfaltet ihre Wucht und bringt Rockrhythmen ins Spiel: Guldas Sinfonie ist ein pralles Werk voll Lebenslust und zudem ein ebenso gelungenes wie rares Beispiel für die These, dass sich Jazz und Klassik verschmelzen lassen.
Auch die fünf Stücke, die er als Solo-Jazzpianist bei den Heidelberger Jazztagen aufführte, zeigen ihn als Künstler, der auf der Höhe des damals aktuellen Jazz komponiert und improvisiert. Er greift in seinen „Variations“ energisch in die Tasten, lässt die Töne in „Entrée“ und „Nr. IV (aus Play Piano Play)“ locker tanzen und lockt die Ostinati in der einzigen Fremdkomposition des Abends, der „Etüde“, Nr. 2 aus „Meditationen“ von Fritz Pauer, lustvoll und mit einer verblüffenden dynamischen Vielfalt aus dem Flügel. Das eigene „Prelude And Fugue“ wird dann zum grandiosen Finale. Wer daran keine Freude haben kann, ist ein armer Tropf.

Werner Stiefele, 30.01.2021


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