Erato/Warner 9029520955
(94 Min., 1 & 2/2019)
Vor einiger Zeit hat die berühmte französische Altistin und länger schon auch angesehene Dirigentin Nathalie Stutzmann verkündet, dass sie ihr eigenes Ensemble Orfeo 55 auflösen muss, weil in Frankreich nicht mehr genügend Subventionen aufzutreiben sind. Und mit „Contralto“ folgt jetzt das letzte gemeinsame Album, aufgenommen Anfang 2019. Zumal die Stutzmann auch nicht mehr in den Frühlingstagen ihrer Karriere blüht, beginnt man einigermaßen beklommen mit dem Hören dieses finalen Albums. Und man ist dann sehr schnell gefangen: von der natürlichen Musikalität dieser Interpretin, die sich auch mit einem so lebendigen, dialogisch durchpulsten, fein disponierten Vortrag ihrer 14 Instrumentalisten fortsetzt, mit denen sie auf einem finalen Gruppenfoto grüßt. Und dann natürlich von dieser vollen, flexiblen, herbrunden, echten Altstimme, heute eine Seltenheit zwischen all den spießenden, aber schlankeren, im Volumen limitierten Countertenören. „Contralto“ ist zugleich auch eine – zumindest in dieser Konstellation – letztmalige Hommage an die Tradition der starken, die eigens für sie komponierten Rollen nachdrücklich prägenden Sängerinnen der Barockzeit. Nathalie Stutzmann hat für sensationelle 94 Spielminuten eine zwischen Freude und Tragik, Adagio und Agitato, Koloratur-Furor und Legato-Langsamkeit so abwechslungsreiche wie gehaltvolle Mischung von 15 Arien und 6 Ouvertüren wie Zwischenmusiken aus 21 Barockopern zusammengestellt. Die decken die weitgespannten Möglichkeiten der damals noch nicht so eng in Fachgrenzen geführten Frauenstimme ab, die man heute Contralto nennt. Man erfreut sich an sehr unterschiedlicher Musik von Händel, Porpora, Vivaldi, Lotti, Bononcini, Caldara und Gasparini. Und man bekommt dazu sieben Weltersteinspielungen gereicht. Ein barocker Volltreffer. Und ein schönes, letztes Orfeo 55-Feuerwerk.
Matthias Siehler, 06.02.2021
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