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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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This Is Not My Dog

Oliver Potratz

Klaeng Records/Klaeng Records 001602172286
(54 Min., k. A.)

Wie weit das Betätigungsfeld des Bassisten Oliver Potratz reicht, sieht man auf seiner Homepage. Dort sind Termine mit so unterschiedlichen Künstlern und Künstlerinnen wie Tim Fischer, Till Brönner, Clara Haberkamp, Gebhard Ullmann oder dem Andromeda Mega Express Orchestra aufgelistet – der Mann kann offenbar von Chanson über Mainstream- und Freejazz bis hin zu Neo-Klassik alles.
Auf seinem Album-Debüt unter eigener Regie stellt sich Potratz nun noch breiter auf. Das allerdings im ganz unmetaphorischen Sinn. Wenn man die Eröffnungsnummer „All In“ hört, kann man nämlich nicht anders, als sich den Berliner wie einen breitbeinigen Rock-Bassisten mit Plektrum und tiefergelegtem Instrument vorzustellen. Die Wucht, mit der Potratzʼ Komplizen Philipp Gropper am Saxofon, John Schröder und Daniel Bodvarsson an den Gitarren sowie Christian Marien am Schlagzeug agieren, erinnert zunächst stark an den Crossover-Rock von Bands wie Rage Against the Machine oder Panzerballett. Bis sich das Stück in eine Art Schredder verwandelt, in dem verschieden große Metallteile unter lautem Quietschen zerhäckselt werden.
Der feste Stand des Bandleaders sorgt auf „This Is Not My Dog“ dafür, dass avantgardistische Wildheit, schroffe Klangerkundung und Vertrautes auf stabiler Basis miteinander in Austausch geraten. So wie in „Worklife Balance“, wo ein Disco-Groove und Glenn-Branca-artige Gitarreneruptionen zueinanderfinden. Oder im Album-Abschluss „Android Body Extension“, der Indie-Jazzrock à la Donny McCaslin mit wie Zitteraale vibrierenden Soundereignissen von Sax und Gitarren kombiniert.
Dass das Quintett auch die leisen und geradlinigen Töne schätzt, zeigt es in dem impressionistischen Stück „Hundekälte“ und dem „Song for Paul Robeson“. Letzterer ist eine respektvolle Verbeugung vor der Herkunft des Jazz aus Afrika und dem Blues. Die Musik wird begleitet von Radioberichten über einen Aufruhr bei einem Konzert des kommunistischen schwarzen Sängers Robeson.
Es handelt sich dabei wohl um die Peekskill Riots von 1949, die eine bis dahin in den USA nicht gekannte Gewaltbereitschaft eines rechtsradikalen Mobs in der Öffentlichkeit dokumentierten. So erweitert Oliver Potratz die Ausdrucksbandbreite auf seinem Debüt als Leader um ein sensibles politisches Statement, das nicht erst seit dem Kapitolsturm aktuell ist.

Josef Engels, 06.03.2021


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