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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Entendre

Nik Bärtsch

ECM/Universal 3528110
(53 Min., 9/2020)

Was für ein Pianist! Was für ein Flügel! Was für ein Raum! Schon die ersten Töne deuten an, dass Nik Bärtsch sich und dem Instrument einen Klangkosmos abverlangen wird, der weit über das hinausgeht, was gemeinhin von einem Solokonzert erwartet wird. Er bringt den Flügel zum Flirren, und Griffe in die Saiten lassen das Saiteninstrument auch Atmen und Fauchen. Dabei beherrscht er das Kunststück, die Klangcharakteristika der einzelnen Töne permanent zu ändern. Eine Figur, die gerade noch hart gewirkt hat, wandelt sich durch veränderten Anschlag und Pedaleinsatz in etwas Weiches mit völlig anderen Obertönen, auf das auch der Raum ganz anders als zuvor antwortet.
Letztendlich nimmt Nik Bärtsch seine Hörer auf eine klingende Trancereise mit. Er kennt das Instrument, und er weiß, wohin sich die „Module“ genannten Grundideen seiner Stücke entwickeln können. An manchen Punkten entsteht der Eindruck, er höre dem soeben Gespielten nach, bevor er eine neue Facette des Moduls einbringt, und an anderen scheint er sich über alles hinwegzusetzen und eine Bewegung in all ihren Facetten auskosten zu wollen. Wenn er im Korpus des Instruments mit der Hand oder Gegenständen den Klang der Saiten stumpfer werden lässt, wenn er die Saiten streicht oder anreißt, schafft er tönende Welten, die auf John Cages Stücken für Präpariertes Piano fußen. Mit einem Unterschied: Wir leben im Jahr 2021, und Bärtsch konnte 2020 all das, was in den 1950ern unkonventionell, wenn nicht gar revolutionär war, als selbstverständliche Ausdrucksform nutzen.
Ähnlich souverän wie Bärtsch mit dem Erbe Cages umgeht, bedient er sich auch bei den rhythmischen Verschiebungen und modifizierten Wiederholungen der Minimal Music. Schon Philip Glass, Steve Reich, John Adams und die anderen Minimalisten arbeiten damit, dass über scharf akzentuierten Ostinati wirbelnde Bewegungen und Melodien eine immense Sogwirkung entfalten können. Aber auch hier besteht ein Unterschied zur Inspirationsquelle: Bei Bärtsch wird die ursprüngliche Strenge zum spielerischen Element, das er zudem durch seine brillante Anschlag- und Pedaltechnik um feinste Klangnuancen bereichert. Sein Partner sind das Instrument und der Raum. Das macht die sechs Stücke absolut hörenswert.

Werner Stiefele, 20.03.2021


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