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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Midnight Shelter

Sachal Vasandani, Romain Collin

Edition/The Orchard - Bertus (Membran) EDN1169
(43 Min., 7/2020)

Es ist wohl kein Zufall, dass der US-Sänger Sachal Vasandani auf dem Album-Rücken nicht als Vokalist, sondern schlicht als „Voice“, als Stimme, vermerkt ist. Denn auf „Midnight Shelter“, dem unglaublich intimen Duett-Album mit dem französischen Pianisten Romain Collin, geht es um die ganz grundsätzlichen Dinge. Atmen. Hinhören. Platz für funkelnde Feuerwerke oder jazzige Verrücktheiten gibt es da nicht.
Wie zwei erschöpfte Schiffbrüchige klammern sich Vasandani und Collin an den Songs fest, die ihnen etwas bedeuten. Etwa an Nick Drakes „Riverman“, Bob Dylans „Don't Think Twice, It's All Right“ oder Abbey Lincolns „Throw It Away“. Es sind Lieder, die alle auf die ein oder andere Weise von Abschied und Aufgabe, aber auch von Akzeptanz und Loslassen handeln. Genauso agieren auch die beiden Musiker. Vasandani, der 2018 mit seiner Einspielung „Shadow“ und seinen originellen Jazz-Standard-Bearbeitungen für Aufhorchen sorgte, verbannt alles Kunstvolle aus seinem Gesang. Schlaftrunken klingt er und verletzlich.
Collin stützt ihn behutsam mit seinem gedämpft dunklen Flügel. Dabei schöpft er aus seinem breiten stilistischen Spektrum, emuliert für den Dylan-Song eine Western-Gitarre auf dem Klavier oder lässt „Throw It Away“ mit Chopin ausklingen. Auch aktuelle Pop-Nummern wie „Adore You“ von Harry Styles oder „Before You Go“ von Lewis Capaldi knüpfen sich der Amerikaner und der Franzose vor und verwandeln sie in nachdenkliche Kammermusik – was man angesichts der aufgekratzten Originale nicht unbedingt erwartet hätte.
Eigentlich war nicht geplant, dass aus dieser Aufnahmesession ein Album wird. Vasandani und Collin, die in New York Tür an Tür leben, wollten nach der schweren Lockdown-Zeit im Sommer 2020 einfach nur gemeinsam Musik machen. Um, wie Vasandani sagt, die Unsicherheit und Wut zu kanalisieren.
Sicher: Es wird Hörer geben, die mit diesem absichtslosen, beinahe betäubt wirkenden Vortrag genauso wenig anfangen können wie mit dem Gesang eines Chet Baker. Alle anderen dürfen sich von der Nacktheit und Bescheidenheit, die Vasandani und Collin auf „Midnight Shelter“ offenbaren, berühren lassen.

Josef Engels, 19.06.2021


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