Die Alben „Night Train“ und „We Get Requests“ zählen zu den erfolgreichsten Veröffentlichungen des kanadischen Pianisten Oscar Peterson. Deren Repertoire hat nun Alvin Queen, Schlagzeuger im letzten Quartett Petersons, als Hommage an den Ex-Bandleader mit zwei skandinavischen Partnern nahezu vollständig neu eingespielt. Herausgekommen ist keine Kopie, wohl aber eine Sammlung von fünfzehn Stücken, die zu jeder Sekunde im Geist des Meisters swingen, eine Menge seiner pianistischen Gewohnheiten aufgreifen und eine ähnliche Balance zwischen Kontrabass, Schlagzeug und Piano halten, wie sie in Petersons Trios üblich war. Selbst die tontechnische Färbung der Instrumente erinnert an damals.
Warum also das Ganze, wenn die Originale doch vorliegen? Gegenfrage: Warum immer wieder eine neue Interpretation der Goldberg-Variationen, wo es doch schon so viele gibt? Die Antwort ist einfach: Weil es dem Trio um Alvin Queen wichtig war, ihre Versionen festzuhalten. Und weil diese Versionen ein tiefes Verständnis der Musik von Oscar Peterson aufzeigen. Und deshalb, weil sie nicht kopieren, sondern aus bestem historischen Verständnis heraus die Klassiker neu interpretieren.
Der schwedische Pianist Calle Brickman hat genau aufgepasst, wie Peterson rasante Läufe startet, wo er Triller oder Stopps einbaut, wie er die Themen umspielt. Weniger genau nimmt er es mit der linken Hand: Hier verzichtet er auf die eigenständigen, mit der rechten kommunizierende Begleitung und Themenfortentwicklung – nach einem Schlaganfall war Peterson in seinen letzten Jahren, in denen Alvin Queen ihn auf Tourneen begleitete – dazu ebenfalls nicht mehr in der Lage. Dass andererseits der dänische Bassist Tobias Dall ein starkes Fundament legt, gleicht diesen Unterschied zu den ursprünglichen Aufnahmen Petersons von 1962 und 1964 wieder aus. Und Alvin Queen? Er macht genau das, was Peterson an ihm schätzt: Er begleitet einfallsreich, mit sanftem Humor und Präzision.

Werner Stiefele, 21.08.2021

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