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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Time Traveler

Nnenna Freelon

Origin/Bertus ORIGIN82822
(58 Min., 2018–2020)

Die Sängerin Nnenna Freelon hat zweifellos ein besonderes Verhältnis zur Zeit. Selbiger voraus war sie 1997, als sie unter der Mithilfe von unter anderem Herbie Hancock auf dem Album „Maiden Voyage“ fast ausschließlich Songs von Frauen interpretierte. Dazu sollte man wissen: An der spezifisch weiblichen Sichtweise im Jazz war man damals, anders als heute, in dem lange von Machos dominierten Genre doch ziemlich uninteressiert.
Für ihr erstes Album nach zehnjähriger Pause hat die 67-jährige US-Sängerin, die Anfang der 1990er-Jahre von Ellis Marsalis entdeckt wurde, jetzt auch wieder ein verbindendes Thema gefunden. Es geht um die Zeit, ihr Vergehen und um Methoden, wie man sie überwinden kann. Im Jazz gibt es dafür ja zum Glück ein einfaches Mittel: Man nehme Songs aus anderen musikalischen Gefilden und anderen Jahrzehnten und interpretiere sie mit seinem eigenen Personalstil.
So verfährt Freelon auf „Time Traveler“ etwa mit Burt Bacharachs „I Say a Little Prayer“, das mit einem schleppenden Backbeat, einer wimmernden Orgel und wie von einer Predigerin hervorgestoßenen vokalen Feuerstößen Freelons zu einem Fall für die Baptistenkirche wird. Klingt ihr Medley mit Liedern von Marvin Gaye noch eher wie die höchst professionelle Untermalung beim Captainʼs Dinner auf einem Kreuzfahrtschiff, so verlässt sie mit den Umarbeitungen von Oldies aus der Feder der Stylistics oder von Jim Croce glücklicherweise deutlich die Gefilde des Dienstleistungs-Soul. „You Make Me Feel Brand New“ tänzelt im Duett mit akustischer Gitarre als Bossa mit aparter Vocalese-Beilage daher, während „Time in a Bottle“ in seiner dezenten Fusion-Lesart Erinnerungen an Dianne Reeves fabelhafte Pop-Exkursionen auf der Einspielung „Bridges“ erinnert.
Besonders vital interpretiert Freelon Standards aus dem American Songbook. Vor allem „Moon River“ wird bei ihr nach balladeskem Beginn nicht zu einer sentimentalen Schmachtnummer, sondern zu einem stimmgewaltigen Statement voller Unbeugsamkeit und Schicksalstrotz. Das hat seinen traurigen Grund: Während der Aufnahmesessions verstarben sowohl Freelons Mann, mit dem sie 40 Jahre verheiratet gewesen war, als auch ihre Schwester. Die Sängerin zeigt mit „Time Traveler“ nun, wie man aus Verlust von geliebten Zeitgenossen eine Stärke macht.

Josef Engels, 28.08.2021


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