Natürlich hat in der diskografischen Karriere von Andreas Staier das Cembaloschaffen von Johann Sebastian Bach eine wichtige Rolle eingenommen. Doch eines der gewichtigsten Notenpakete sollte er sich bis zu seinem 65. Lebensjahr aufheben. So alt war er nämlich 2020, als er sich an den zweiten Teil des „Wohltemperierten Klaviers“ machte. Nun sind diese 24 Präludien- und Fugen-Paare gespickt mit allem, was auch die Geschwisterstücke des 1. „WTK“-Teils ausmachen. Kontrapunktische Logik und Komplexität wechselt sich da mit einer auch tänzerischen Ausdruckslust am Hier und Jetzt ab. Intellektualität und Sinnenfreude gehen hier Hand in Hand – was zugleich für Andreas Staiers Spiel zutrifft. Obwohl er einer der Protagonisten der Originalklangbewegung ist und damit durchaus sich dem objektiven Geist der Interpretation verpflichtet fühlt, steht für ihn bei diesem Riesenkonvolut der musikalische Atem über jedweder akademischen Korrektheit. Dementsprechend ist denn auch die Ansprache. Bei Staier leuchtet und strahlt Bach. Die Fugen kommen nicht als spindeldürres Gedankenlabyrinth daher, sondern entfalten sich gar mit Elan und Drive. Und was für ein rauschendes Tastenfeuerwerk entlockt er seinem Cembalo, das auch der zweite Star dieser Aufnahme ist! Es handelt sich dabei um den Nachbau eines Instruments von Hieronymus Albrecht Hass aus dem Jahr 1734. Und dieses Cembalo ist genauso eine Wucht wie Staiers Bach!

Guido Fischer, 15.01.2022

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