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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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„Idantitâ“

Florian Favre

Traumton-Indigo/375 Media 05215982
(59 Min., k. A.)

Identität. Das ist auch so ein Wort, das in den vergangenen Jahren seine Unschuld verloren hat und zu einem politischen Kampfbegriff geworden ist. Wenn sich jedoch der Schweizer Pianist Florian Favre alleine mit seinem präparierten Flügel auf die Spurensuche nach seiner eigenen Identität begibt, dann klingt das mal poetisch, mal überwältigend, mal verspielt. Gleichzeitig fremd und vertraut, ganz so wie der Albumtitel „Idantitâ“. Bewusst hat Favre dafür den Dialekt der Westschweiz gewählt, in der er 1986 als Fribourger geboren wurde und mittlerweile wieder lebt.
Aus was für einer musikalisch erstaunlich fruchtbaren Gegend er stammt, zeigt Favre anhand der Stücke von Joseph Bovet (1879-1951) und Pierre Kaelin (1913-1995), die beide als Kapellmeister in Fribourg wirkten. Der Pianist spielt einerseits durchaus respektvoll mit den Melodien und lässt sie federleicht tanzen wie in „Le Ranz des Vaches“ oder gershwinhaft zu poppigen Arpeggien träumen wie in „Le Lutin du Chalet des Rêbes“. Andererseits schreckt Favre auch nicht vor ruppigen Bearbeitungen zurück, in denen er das Klavier dank abgedämpfter Saiten und selbst gebauter Gadgets in ein Drumset verwandelt – so der Fall in „Nouthra Dona di Maortsè“.
Aber auch durch Eingriffe in den Bauch des Flügels vermag Favre das Instrument klanglich an seine Grenzen zu bringen. Während „Adyu mon bi payi“ mit einer mächtigen Explosion endet, in der man durch die Gegend fliegende Splitter förmlich auf sich zufliegen sieht, grollt das Klavier in „La Montagne“ furchterregend wie eine Lawine.
Der ausgesprochen multitaskingfähige Favre (alles wurde ohne Overdubs eingespielt) kann aber auch anders: Verträumt summen wie im Titelstück „Idantitâ“, als Ein-Mann-Chor die Sonne aufgehen lassen wie in „Nouthra Dona di Maortsè“ – oder die eigene Identität mit einem Augenzwinkern betrachten. So geschieht es etwa in der behäbigen Stride-Western-Nummer „Our Cowboy“, die als Hommage an die Schweizer Kuhhirten verstanden werden soll, oder im schwerfällig im Offbeat pumpenden „The Dzodzet“. So nennt man die Einheimischen, wo Favre lebt. Da ist nur zu konsequent, dass Cole Porters „I Got You Under My Skin“ in einer ravelesken Version das Album beendet: Die Heimat bleibt immer in einem drin.

Josef Engels, 22.01.2022


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