N° 1353
13. - 24.04.2024
nächste Aktualisierung
am 20.04.2024
„Cheese Cake“
Fuhrmann, Fromm und Freunde
Unit/The Orchard-Bertus UTR5048
(63 Min., 12/2018 & 12/2020)
Die Stücke wirken vertraut. Und wirken doch ganz anders, manchmal sogar fremd. Warum? Weil der Posaunist Felix Fromm und der Tenorsaxofonist Gary Fuhrmann einen neuen Zugang zu Klassikern der Real-Book-Sessions erarbeitet haben, der diese in Millionen von Sessions fast zu Tode gerittenen Songs in frische, freche, komplexe und rundum neue Stücke verwandelt hat. Geblieben sind die Melodien, der Kern der harmonischen Struktur und ein Gefühl, dass nichts so richtig stimmt und doch alles völlig in Ordnung ist.
Dieses Kunststück gelang zum einen mit dem Kniff, auf ein Klavier als verbindliches Harmonieinstrument zu verzichten und den Klang von Posaune und Tenorsaxofon geschickt zu vereinigen oder raffiniert zu kontrastieren. Zudem haben die beiden Bläser und ihre Freunde – der Schlagzeuger Holger Nesweda sowie die Kontrabassisten Thomas Stabenow bei der einen und Jan Dittmann bei der anderen Session – die Taktarten verändert und erzeugen so jene Spannung, die dem Bekannten etwas Fremdes verleiht. Dabei betrieben sie bei den Aufnahmesessions im Dezember 2018 und Dezember 2020 keine Kosmetik und auch keine Schönheitschirurgie. Sie fassten mit ihren Partnern die Stücke wie Neugeborene an, deren DNS zwar das Erbmaterial der historischen Stücke enthält, andererseits aber wie alle Kinder einen eigenen Charakter entwickeln.
Bei „Donna Lee“ entschieden sie sich für ein spannendes Hin und Her zwischen Klangtupfern, der tradierten Melodie und freien Umspielungen und „Cherokee“ entsteht eine ungewöhnliche Spannung zwischen scheinbar stur durchlaufendem Kontrabass und den rhythmisch differenzierteren Bläsern. Auch die Taktarten waren vor Veränderungen nicht sicher. So schwingt Joe Hendersons „Inner Urge“ im 7/4-Takt, Wayne Shorters „Footprints“ im 5er sowie die einstige Samba „Desafinado“ und John Coltranes „26-2“ im 9er. Zwölf Titel haben sie mit viel Überlegung überarbeitet. Ein starkes Dutzend.
Werner Stiefele, 16.04.2022
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