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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Johann Sebastian Bach

h-Moll-Messe BWV 232

RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin, René Jacobs u. a.

harmonia mundi/Bertus HMM 902676-
(104 Min., 8/2021)

Zur Erklärung des Besetzungskonzepts seiner Aufnahme der h-Moll-Messe erinnert René Jacobs an den seinerzeit an der Westfälischen Landeskirchenmusikschule Herford tätigen Kirchenmusiker Wilhelm Ehmann (1904–1989), der 1960 in einem mehrteiligen Aufsatz in „Musik & Kirche“ am Beispiel der h-Moll-Messe für eine gestaffelte Vokalbesetzung in barocken Chorwerken plädiert hatte. Man kann Ehmanns Plädoyer als eine Art Vorausgriff auf die historisierende Praxis mit Blick auf kleine Vokalensembles unter Einbezug der Solisten betrachten. Gemäß Ehmann unterscheidet Jacobs zwischen einem „Tutti“ aus rund 30 Sängerinnen und Sängern, einem Favoritchor von 16 Personen und dem auch chorisch in Erscheinung tretenden Solistenquintett. Mit diesen drei unterschiedlichen Gruppen „registriert“ Jacobs die Messe quasi wie ein Orgelstück, indem er auch innerhalb von Chorsätzen gelegentlich die Besetzung verringert. Merkwürdig ist, dass Jacobs das Solistenquintett ausdrücklich nicht Teil der anderen Gruppen (und damit, wie historisch sinnvoll, Kern des Chores) sein lässt, sondern die Soli explizit den größeren Gruppen gegenüberstellt. Fragwürdig ist ferner, dass Jacobs von Ehmann die Idee des dreifach gestaffelten Chores übernimmt, obwohl sich dafür in Johann Sebastian Bachs Praxis keinerlei Belege finden lassen. Wirklich sinnvoll wäre nur eine Unterscheidung zwischen den Soli als immer singendem „Inner Circle“ und den hinzutretenden Ripienisten zur Auffüllung des Klanges.
Soweit die komplizierte Theorie, die durch Jacobs’ Lesart noch komplizierter wird. Zum auf dem Album hörbaren Ergebnis ist zu sagen, dass sich mit dem Einsatz unterschiedlich großer Vokalgruppen tatsächlich hübsche Effekte erzielen lassen, die der sinnvollen Gliederung und gelegentlich auch der sinnfälligen Präsentation des Textes dienen können. Bedauerlich ist allerdings, dass Jacobs wohl aufgrund seiner Vorliebe für räumliche Höreindrücke den Tutti-Chor eigenartig distant positioniert hat: Man hört ihn weit hinter dem Orchester, und möglicherweise aus diesem Grund, auch häufig nicht perfekt mit dem Orchester zusammen. Hinzu kommt eine teils recht indifferente, nicht von einer sauberen Textdeklamation getragene Artikulation, die in vielen Tutti-Chorpassagen ein leicht soßiges Hörerlebnis bedingt. Außerdem verwundern ein paar andere Merkwürdigkeiten wie etwa das absurd schnell musizierte „Sanctus“. Insgesamt ist daher das Durchhören der Aufnahme zumindest für den Kenner des Werkes immer wieder von Ratlosigkeit begleitet.

Michael Wersin, 14.05.2022


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