Maurice Ravel will mit reichlich Verve und Esprit angegangen werden. Und bei allem Elan, der sich in seinen beiden Klavierkonzerten auch mit so manchen Jazz-Anleihen verbindet, darf natürlich auch das subtil Flirrende keinesfalls fehlen. Weil all das jetzt in der Neueinspielung der Klavierkonzerte im Übermaß geboten wird (bei gleichzeitiger Transparenz all der raffinierten Strukturbeziehungen), darf man ohne Übertreibung allein schon deswegen von einer Referenzaufnahme dieser modernen Klassiker sprechen.
Der besondere Clou hierbei ist aber, dass die beteiligten Damen und Herren allesamt auf Instrumenten der Entstehungszeit der Werke spielen. Pianist Cédric Tiberghien hat sich dafür einen Pleyel-Flügel von 1892 ausgesucht. Und das von seinem Gründer Franҫois-Xavier Roth geleitete Orchester Les Siècles besitzt ohnehin einen riesigen Fundus an historischen Instrumenten. Doch auch hier beweist Roth einmal mehr, dass es gewaltige Unterschiede bei der Originalklangpflege geben kann. Wie etwa bereits bei den Dukas- und Debussy-Einspielungen geht es nun auch bei Ravel nicht um die bestmögliche authentische Rekonstruktion von Musikgeschichte(n). Roth, sein Orchester und auch Solist Tiberghien entlocken vielmehr diesen vielgespielten Stücken so noch nie erlebte Farben, Stimmungen, Geheimnisse. Ähnliches gelingt Cédric Tiberghien zwischendurch auch ganz solistisch, mit Ravels „Pavane pour une infante défunte“. Mit diesen drei Klavierwerken hätte man es daher ruhig bewenden lassen können. Jedoch wird man hier immer wieder aus den Ravelschen Zauberreichen anhand eingestreuter Klavierlieder gerissen (u. a. „Trois poèmes de Stéphane Mallarmé“), die Bariton Stéphane Degout mit aufgepumpter Opernbrust angeht.

Guido Fischer, 21.05.2022

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