Aus der Krise geboren scheint dieses Alben-Projekt zu sein, gleichzeitig aber auch von Hoffnung getränkt. Wie zahllose andere Menschen besann sich auch Joyce DiDonato in Pandemie-Zeiten des erzwungenen Schweigens auf die Kraft der Natur, die unbeirrt in jedem Frühling wieder neu zu sprießen beginnt und ihr eigenes Paradies, ihr eigenes „Eden“ schafft. Es liegt, so meint DiDonato im Beihefttext, am Menschen, ob er bereit ist, zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren und an den großen Zyklen der Natur wieder unmittelbarer teilzuhaben. Man mag eine solche Weltsicht als naiv-naturmystisch belächeln, man mag zahllose Einwände formulieren, die die Möglichkeit eines „Zurück zur Natur“ in Abrede stellen und die Distanz in den Vordergrund stellen, die jeder Einzelne in seiner Alltagsexistenz zu diesen Ursprüngen hat. Aber man darf auch in Nachdenken verfallen, wenn Joyce DiDonato mit ihrer nach wie vor großartigen Stimme die Kluft zwischen Natur und Kultur kreativ zu überwinden scheint – dazu noch mit einem wilden Repertoire-Mix, der den Hörer von Ives zu Marini und dann wieder von Cavalli zu Wagner führt, dabei ausführlich Händel und Gluck berührt und zweimal eindrucksvoll bei Gustav Mahler verweilt. Das äußerliche Durcheinander macht dieses Rezital zu Joyce DiDonatos persönlicher Botschaft, denn ihr Gesang ist auf den ersten Blick das einzige verbindende Element auf dieser Reise durch die Epochen. Auf den zweiten Blick mag man mehr und mehr den Gedanken und Ideen auf die Spur kommen, die die Sängerin in Krisenzeiten bewegt haben. Es ist ein gelungenes, ein ungewöhnliches Album für ihre Fans.

Michael Wersin, 21.05.2022

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