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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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„John Scofield“

John Scofield

ECM/Universal 4531164
(54 Min., 8/2021)

Vergangenes Jahr feierte er seinen 70. Geburtstag, seit fast 50 Jahren nimmt er Alben auf – doch eine Solo-Einspielung fand sich erstaunlicherweise bis jetzt noch nicht in seiner Diskografie. Das hat John Scofield, einer der ganz großen stilprägenden Jazz-Gitarristen der letzten Dekaden, nun endlich nachgeholt.
Die Aufnahme, die Scofield im August 2021 auf seinem heimischen Dachboden machte (der im Booklet mit typischem Sco-Humor als „Top Story Studio“ bezeichnet wird), bringt die ganz eigene Spielcharakteristik des Gitarristen wie unter einem Brennglas zum Vorschein: Scofield streichelt die Töne nicht sanft aus seinem Instrument heraus, sondern bearbeitet sie wie ein hemdsärmeliger Naturbursche. Er zerrt sie hervor, biegt sie, quetscht sie, schmirgelt sie ab. Und erweckt sie damit zum Leben. Noch nie wurde einem die gesangliche Qualität seiner Linien so klar vor Augen geführt wie hier. Es ist Musik, die nicht – wie sonst bei Gitarristen üblich – von der Schnelligkeit der Finger bestimmt wird, sondern vom Rhythmus des Ein- und Ausatmens. Es wirkt so, als würde man dem Meister beim Verfassen seiner Gedanken zuhören.
Ein pures Soloalbum ist die Dachboden-Affäre allerdings nicht. Scofield begleitet sich mithilfe einer Loop-Maschine öfters selbst. Die gewisse Statik, die sich daraus zwangsläufig ergibt, unterläuft er mehrfach. Etwa, indem er in seiner Version des Standards „It Could Happen to You“ das Gerät urplötzlich ausknipst, um überraschend die Tonart zu wechseln. Oder, indem er in Buddy Hollys „Not Fade Away“ zunächst einen Bass nachahmt und ihn dann auf einmal verkehrt herumlaufen lässt. Hübsche Spielereien.
Wobei man sich fragt, ob Scofield sie wirklich gebraucht hätte. Denn in den Stellen ohne Loops finden sich die schönsten Momente der ausgesprochen persönlichen Aufnahme, auf der jedes einzelne Stück den Werdegang des Gitarristen vom Rock’n’Roll- und Wes-Montgomery-Jünger über den Novizen an der Seite von Chet Baker bis hin zum Fusion- und Funk-Helden nachzeichnet: der gewissermaßen auf den Knien des Herzens vorgetragene Beginn des Traditionals „Danny Boy“ zum Beispiel. Das kantig-kurze und dadurch umso ehrlichere „My Old Flame“. Oder der tänzelnd-schwankende Wechselbass-Groove von „Junco Partner“, für den Scofield keine maschinelle Unterstützung benötigt. Er ist eben ein echtes Unikat – und, wer weiß, vielleicht nimmt er auf seinem magischen Speicher auch noch mal ein Solo-Album ohne Netz und elektronischen Doppelgänger auf.

Josef Engels, 25.06.2022


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