Die Reveille von Couperin, die am Anfang des Programms erklingt, lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Regelmäßig eingestreute hämmernde Tonrepetitionen fungieren als eine Art barocker Radiowecker, und die Bewegungsrichtung der initialen Motivik weist nachhaltig nach oben. Wenn sich der König, dessen Kammer-Cembalistin wir hier imaginär hören, unter diesen Klängen erhoben hat, begleitet ihn seine Hofmusik auf unterhaltsame Weise durch den Tag: Suitensätze, Jagd-Musik, Vogelstimmen-Imitationen und manches Bildhafte mehr erinnern daran, dass Programmmusik wahrlich keine Erfindung des 19. Jahrhunderts ist, sondern vor allem im barocken Frankreich schon lang zuvor en vogue war. Der thematische Aufhänger, den die Cembalistin Céline Frisch für ihr Programm gewählt hat, bewahrt das teils fast aphoristische Repertoire aus Suiten und „Pièces-de-Clavecin“-Sammlungen von Couperin, Balbastre, Dandrieu, Royer, d’Agincourt und anderen tatsächlich vor der ansonsten eventuell drohenden Vereinzelung, denn dem Hörer wird in dieser harmonisch nicht überaus raffinierten Klangwelt, deren eigentlicher Reiz in der Delikatesse detaillierter Ornamentik und kleingliedrig sprechender Mikro-Melodik liegt, doch eine gewisse Einhör-Bereitschaft abverlangt. Das wundervolle Instrument (inspiriert durch ein originales französisches Cembalo aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts), auf dem Céline Frisch mit höchster Präzision und perfektem Timing reüssiert, mehrt die Pluspunkte dieser Aufnahme indes erheblich, und so lassen wir uns gern ein auf einen Tag im Leben Louis XV., gerafft auf 74 Minuten, musikalisch begleitet von seiner imaginären Hof-Cembalistin.

Michael Wersin, 09.07.2022

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