Sony 5 099708 992125
(64 Min., 2/2002, 4/2002) 1 CD
Das Wichtigste vorneweg: im Outfit-Duell der "Saiten-Lolitas", von dem der "Spiegel" kürzlich kündete, gefällt mir das kleine Schwarze von Hilary Hahn doch besser als das blasse Teil der "sehr blonden Schönheit" Lara St. John (oder was es auch sonst für ein Stoff gewesen sein mag, der da als einziger (neben der Stradivari) die Cover-Aussicht auf die nackte Haut störte).
Natürlich ist es nicht leicht, auf solch einem Schlachtfeld geigender Jungdamen vom Äußeren abzusehen und nur auf die produzierten Töne zu lauschen. Gleichwohl hat es zumindest Hilary Hahn nicht nötig, sich in solche Cover-Niederungen hinabzubegeben. Denn sie hat durchaus einiges, wenn auch nicht rundum Genügendes, zu sagen (auch im Beiheft, das sie regelmäßig selbst verfasst).
Damit sind wir doch noch beim Unnötig-Lästigen, bei der Musik, und Hahns Mendelssohn- und Schostakowitsch-Sicht angelangt, mit der sie ihre bislang recht zwiespältig aufgenommene Aufnahmeserie der großen Violinkonzerte fortführt. Zwiespältig bleibt das Stichwort und treu bleibt sich auch die inzwischen Zweiundzwanzigjährige insofern, als sie zunächst mit einem makellosen Schönklang und technischer Brillanz für sich einnimmt.
Dies macht ihren Mendelssohn, deren Ecksätze ausgesprochen flink und rhythmisch federnd angegangen werden, zu einem luftigen, anmutig-schwungvollen Frühlingsrausch. Warum sie den Mittelsatz allerdings derart verschleppt, bleibt unschlüssig. Bekanntlich aber hat der berühmteste Leipziger Gewandhauschef noch mehr in sein jahrelang erarbeitetes Vorzeigekonzert hineingelegt als nur Anmut und Leichtigkeit. Hilary Hahn selbst schreibt von "Leidenschaft, Dramatik und Kontraste" - kann diese aber kaum in Töne übersetzen.
Vollends deutlich wird das Manko bei Schostakowitschs erstem, gewaltigen Violinkonzert, das unter Stalin und damit nicht eben unter einem unbeschwerten Frühlingshimmel verfasst wurde. Allenfalls für den ersten Satz und die Passacaglia mag Hahns warmer, schlanker, und dabei unsentimentaler Ton adäquat sein; im Scherzo, in der monumentalen Solokadenz und der bizarren Schluss-Burleske aber kratzt er kaum die Oberfläche. Auch hier weiß laut Beiheft die intelligente Musikerin zwar um die Grenzen der "emotionalen Ausdrucksfähigkeit", die Schostakowitsch seinen Interpreten zumutet, aber es bleibt leider beim Wissen.
Ob's am fehlenden Bogendruck liegt? Vermutlich nicht, sondern am fehlenden Mut zu etwas mehr "Schmutz" im Ton. Aber eine Zweiundzwanzigjährige hat ja noch genügend Zeit, auch diese Seiten ihrer Persönlichkeit, so sie denn vorhanden sind, kennenzulernen - egal, welches Kleidchen sie dabei anzieht.
Ach ja, die Begleitung, bezeichnenderweise hätte ich sie fast vergessen: Sie bleibt weitgehend eine solche - mit wenigen eigenen Konturen. Wenn man sich dennoch mitten im Klanggeschehen plaziert glaubt, dann liegt das leider nur an der wunderbar plastischen Aufnahmetechnik.
Christoph Braun, 05.12.2002
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