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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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„Jazz Codes“

Moor Mother

ANTI – Indigo/375 Media 05229322
(52 Min., k. A.)

Ursprünglich sollte das Album eigentlich nur eine Art von akustischer Beigabe zum Gedichtband „Jazz Codes“ werden, in dem die US-amerikanische Poetin, Komponistin und Pädagogin Camae Ayewa alias Moor Mother afroamerikanischen Musik-Ikonen wie Woody Shaw, Mary Lou Williams, John Coltrane oder Billie Holiday ihre Ehre erweist.
Doch je mehr sich die Wortkünstlerin mit der tiefen hypnotisierenden Stimme in die angejazzten Loopschleifen vertiefte, die ihr der schwedische Produzent Olof Melander für die Produktion zugeschickt hatte, desto stärker wurde offenbar ihre musikalische Fantasie angetriggert. Ayewa entwickelte Melodien parallel zu ihren Spoken-Word-Beiträgen und ließ Gäste wie die Harfenistin Mary Lattimore, die Flötistin Nicole Mitchell, den Saxofonisten Keir Neuringer, den Trompeter Aquiles Navarro oder den Pianisten Jason Moran unabhängig voneinander dazu improvisieren. Keiner von Ayewas Mitwirkenden hörte die Takes der anderen beim Spielen.
Während die instrumentalistischen Beiträge das Free-Jazz-Faible der Autorin verdeutlichen, das sie auch schon in Kollaborationen mit dem Art Ensemble of Chicago oder dem Kollektiv Irreversible Entanglements unter Beweis stellen konnte, decken die Beiträge von Sängerinnen wie Melanie Charles oder exzentrischen Hip-Hoppern wie Fatboi Sharif die modernere Seite des afroamerikanischen Bewusstseinsstroms ab.
Die Texte, die wie in Zeitlupe schwebende Gewehrkugeln wirken, sind voller Verweise auf die Jazzgeschichte und beschwören die Namen der Vergangenheit, um die Gespenster der Gegenwart auszutreiben. Manchmal scheint es so, als wolle Ayewa hier ein radikales Update von Billie Holidays Protestsong „Strange Fruit“ vorlegen.
Am Ende, im „Jazz Codes Outro,“ fordert sie wortgewitzt sogar eine lazarushafte Wiedererweckung des Jazz jenseits der kapitalistischen Vermarktbarkeit ein („between C sharp and B natural“). Bei aller dichterischen Potenz bleibt es aber fraglich, ob ein Album ohne jegliche echte Interaktivität zwischen den Musikerinnen und Musikern tatsächlich die Zukunft des Jazz sein kann oder soll.

Josef Engels, 17.09.2022


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