Erstaunlich, wie sehr ein zugänglicher, aber nicht unraffinierter, komplex tonsetzender, durchaus ein eigenes Terrain umschließender Komponist so sehr dem Vergessen anheimfallen konnte. Die Rede ist von dem sich zwischen seinem Geburts- wie Sterbeort Venedig und dem östlichen Münchner Stadtrand bewegenden Ermanno Wolf-Ferrari (1876–1948). Der Deutsch-Italiener, einst am Münchner Nationaltheater wie an der Mailänder Scala uraufgeführt, fand in Venedig sein Lebensthema, ob in seinen einst so populären, zärtlich späten Buffa-Opern nach Goldoni-Stücken wie in seinem überschaubaren Orchesterwerk, das meistenteils seinen späteren Lebensjahren entstammt. In jüngerer Zeit hat sich besonders Friedrich Haider zu einem so kompetenten wie könnerischen Anwalt dieses tiefsinnigen Schönklang-Komponisten gemacht. Nach einer Oper und einem Ouvertüren-Album legt er bei Naxos nun als dritte Scheibe eine hierher transferierte Wiederveröffentlichung von 2008 vor. In seiner Zeit bei dem spanischen Philharmonischen Orchester Oviedo spielte er neben der titelgebenden Suite „Veneziana“ noch drei weitere Orchesterstücke Wolf-Ferraris ein. Und wie schon die Suite trotz ihrer Tanzanklänge eher einen düster-nachdenklichen, melancholischen Ton über ein Venedig der dunklen Ecken und verlassenen Plätze im Mondschein anstimmt, so gibt sich auch das Triptychon in E-Dur getragen langsam, aber mit schön melodischem Fluss.
Im Divertimento in D-Dur lichtet sich das freilich auf, tönt fröhlicher, ja temperamentvoll, während die feinfühlig sich klangverschlingenden Arabesken in e-Moll wieder zur kontemplativen Stimmung des Anfangs zurückkehren. Eine Stunde unbekannter, geistvoll hübscher Musik, liebevoll aufgeführt.

Matthias Siehler, 01.10.2022

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