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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Franz Schubert, Carl Maria von Weber, Robert Schumann

„Mein Traum“ (Arien, Sinfoniesätze, Lieder)

Stéphane Degout, Pygmalion, Raphaёl Pichon

harmonia mundi HMM 905345
(82 Min., 12/2020)

Man muss schon recht tief einsteigen in die Einzelstücke dieses musikalischen Mosaiks, um zu verstehen, in welche Art von Beziehung Raphaёl Pichon jedes von Ihnen zu Franz Schuberts Textfragment „Mein Traum“ (diesen Titel erhielt es posthum von Ferdinand Schubert) setzen möchte. Am unmittelbarsten erschließt sich der Zusammenhang vielleicht noch beim Hören des ersten Satzes der „Unvollendeten“, in dem die Schubert-typischen Topoi „Idyll“ (das melodienselige G-Dur-Thema) und „böses Erwachen“ (der harsche c-Moll-Einbruch nach der Generalpause) ebenso für sich sprechen wie das grausame Erstarken des düsteren ersten Themas in der Durchführung, das ganz am Anfang des Satzes zunächst nur seinen Schatten vorauswirft. Allerdings verschenkt Pichon gerade im Hinblick auf die scharfen Kontraste dieses Satzes so manches von jener unbarmherzigen Härte, die in der Partitur angelegt ist. Das berühmte „Ave Maria“, von Sabine Devieilhe zu Harfenbegleitung wenig textaffin vorgetragen, leuchtet entsprechend matt wie aus einer anderen Welt ins Geschehen. Zupackender, auch sprachlich, agiert Stéphane Degout mit seiner immer etwas herben Baritonstimme in den anderen vokalen Nummern des Programms, darunter „Der Doppelgänger“ in der Liszt’schen Orchestrierung und ein Rezitativ-Arie-Paar aus dem unvollendeten Oratorium „Lazarus“.
So mancher reizvolle musikalische Moment, der aufhorchen lässt, zieht am lauschenden Ohr vorbei, aber ein programmatischer Zusammenhang erschließt sich nur mühsam. Nicht zuletzt vielleicht deshalb, weil Schuberts partielle Verzweiflung und Desillusionierung, von der hier auf Basis seiner Musik die Rede sein soll, klar benennbare zeit- und kulturgeschichtliche Hintergründe hat: Die gesellschaftliche Eiszeit während der Restauration, das nachaufklärerische Hadern mit der christlichen Religion, die fordernde kreative Auseinandersetzung mit dem übermächtigen Genie Ludwig van Beethovens. An diesen Punkten sollte man eher entmystifizieren als weiter hineingeheimnissen.

Michael Wersin, 29.10.2022


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