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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



Jean Sibelius wird bis heute unter Wert gehandelt: Das mag an Adornos abschätzigem Urteil liegen, hat gewiss auch mit seiner eigenwilligen Musiksprache zu tun, die sich der deutsch-österreichischen Tradition, aber auch den damals herrschenden Trends weitgehend verweigerte. So fanden seine Sinfonien hierzulande erst in den letzten Jahren zunehmend Beachtung. Jetzt hat der erfahrene finnische Dirigent Okko Kamu die völlig unbekannte Schauspielmusik zu Shakespeares Drama „Der Sturm“, die Sibelius im Auftrag des Königlichen Theaters in Kopenhagen im Jahr 1925 als sein letztes großes Werk komponierte, in einer in jedem Detail vorbildlichen Gesamteinspielung mit Solisten, Chor und dem Orchester der Königlich Dänischen Oper herausgebracht und damit dieses verkannte Opus überhaupt erst bekannt gemacht. Der damals 33-jährige Sibelius hat hier in 34 meist kurzen, sehr konzentriert gearbeiteten Musiknummern praktisch alle Register seines weitgespannten stilistischen Horizonts gezogen und dabei die Zauberkräfte des finalen Inseldramas Shakespeares in einer verwirrenden Vielfalt von musikalischen Spotlights, Stimmungsbildern und Gesängen in Klang gesetzt, so dass Shakespeares dramatische Intentionen auf wundersame Weise verdichtet und intensiviert werden. Und so wie der englische Theaterfürst sich hier am Ende von den Zauberkräften Prosperos endgültig löst, so feiert auch der finnische Magier Sibelius hier Abschied von seinen musikalischen Zauberkräften und verstummt für die restlichen 32 Jahre seines Lebens. Insofern markiert dieser stürmische Abschied einen der Höhepunkte seines musikalischen Schaffens und entfesselt gleich in der einleitenden Ouvertüre einen Seesturm von beängstigender Intensität. In fünf dem Luftgeist Ariel gewidmeten „Songs“ glänzt die dänische Mezzo-Sopranistin Hanne Fischer, während der 76-jährige Okko Kamu das exzellente Kopenhagener Opernorchester feinfühlig und souverän durch die abenteuerliche Partitur lotst. Es ist eine der stärksten Theatermusiken, die ich je gehört habe.

Attila Csampai, 17.12.2022


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Kommentare

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Ulrich Wilker
So ganz unbekannt sollte diese Schauspielmusik den Willigen nicht sein, ist sie doch komplett bereits bei Ondine und bei BIS erschienen. Und kurz zu Adorno: Seine "Glosse über Sibelius" mag polemisch gemeint gewesen sein, aber bis heute wird ihr überspitzter Inhalt leider für bare Münze genommen. Was Analytisches drinsteht, lässt sich leicht an jeder Sibelius-Partitur als Falschbehauptung entlarven.


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