Das barocke Repertoire für die Solo-Geige kennt eigentlich nur einen Namen: Johann Sebastian Bach. Und dessen Sonaten und Partiten hat die englische Originalklang-Spezialistin Rachel Podger natürlich längst schon eingespielt. Genauso wie etwa Georg Philipp Telemanns Solo-Fantasien, die im Beliebtheitsranking immerhin auf Platz 2 stehen – wenngleich mit meilenweitem Abstand hinter Bach. Aber wer genauer in die Archive und Notenbibliotheken schaut, der wird dann doch bei weiteren Namen fündig.
Wie im Fall etwa des Dresdners Johann Paul von Westhoff, der nicht nur zu den am meisten gefeierten Geigern im deutschsprachigen Raum gehörte. Mit seinen Solo-Suiten dürfte er garantiert Bach inspiriert haben. Dass das keine steile These ist, bestätigt nun Podger mit Westhoffs A-Dur-Sonate, die auch das „gehaltvollste“ Opus auf dieser mit zahlreichen Raritäten gespickten Aufnahme ist. Da gibt es anspruchsvolle, aber keine öden, sondern musikalisch aufgepeppte Fingerübungen, die John Walsh entlang von Stücken etwa von Corelli und Purcell geschrieben hat. Ähnliche Kurzweil beim schwierigen Violinspiel-Büffeln garantierten einst auch die drei Piecen von Pedro Lopes Nogueira – wozu eine flotte Tanz-„Filhota“ gehört. Und während es aus der Sammlung „Artificiosus Concentus pro Camera“ (1715) des Österreichers Johann Joseph Vilsmayr eine ausgedehnte Suite zu entdecken gibt, ist der Teufelstriller-Sonaten-Komponist Tartini mit einer Solo-Sonate zu erleben, die prä-paganinieske Züge trägt.
Sieht man einmal von dem Eingangsstück ab, von der wenig überzeugenden, weil allzu akademisch anmutenden Violin-Bearbeitung von Bachs Orgel-Klassiker Toccata & Fuge BWV 565, hat Rachel Podger auf ihrer Pesarinius-Geige aus dem Jahr 1739 nicht nur ein gelungenes Fußnoten-Programm zu Bachs ewigem Solo-Testament aufgenommen. Ihr unaufgeregt vitales, ausdrucksreiches und doch ungemein akkurates Spiel löst auch dank des exzellenten Klangbilds ziemliche Bewunderung aus.

Guido Fischer, 31.12.2022

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