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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Der polyglotte Bohuslav Martinů, 1890 in Ostböhmen geboren, lebte in Prag, Paris, Nizza, den USA und der Schweiz. Er komponierte rund 400 Werke, darunter 14 Opern – und hat doch verhältnismäßig wenig Spuren hinterlassen. Bis jetzt stand er zwischen den Stilen und Stühlen, wurde zur Kenntnis genommen, aber leider kaum aufgeführt. Plötzlich beginnt man, sich nachhaltiger für diesen eleganten, melancholischen Träumer zu interessieren, der den Surrealisten und den Neoklassizisten nahestand. Womöglich wird er, nach Leoš Janáček und Benjamin Britten der letzte bisher vernachlässigte Komponist des 20. Jahrhunderts, der noch in den Opernkanon aufgenommen werden kann.
Dazu mag auch eine Corona-Beschäftigung der Stuttgarter Staatsoper beitragen. Jeweils im Juli 2020 und 2021 hat man für Capriccio zwei Kurzopern ersteingespielt – in der Originalsprache. „Les larmes du couteau“ (1928) ist eine surreale Farce aus Martinůs Pariser Zeit. Da tanzt der Teufel Foxtrott unter einer Leiche, der Mond wird angesungen, Strawinski wie der Jazz schimmern in der wild dadaistischen Musik auf. „Comedy On the Bridge“ entstand 1935 als tschechische Radiooper, bekam aber 1951 in den USA eine definitiv englische Fassung. Die Handlung ist so schräg, wie leider lebensecht: Vier Personen wird in Kriegszeiten gestattet, eine Brücke zu betreten, aber nicht, sie zu verlassen. Hier hören wir einen Widerschein von Smetana und Janáček. Unter den charaktervollen Sängern sind Elena Tsallagova, Maria Riccarda Wesseling, Adam Palka, Esther Dierkes und Björn Bürger herauszuheben. Martinůs Musik packt sofort – vorwärtsdrängend, pikant orchestriert, rhythmisch flexibel, auf eigenartige Weise einlullend und die Sinne schärfend. Und Cornelius Meister dirigiert sie mit lärmigem Schmiss wie gluckender Zartheit.

Matthias Siehler, 07.01.2023


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