François-Frédéric Guy entstammt wie Jean-Marc Luisada und Cédric Pescia der strengen Schule von Dominique Merlet und hat sich insbesondere als unkonventioneller Beethoven-Interpret einen Namen gemacht. Nun hat der 53-jährige Franzose erstmals ein Chopin-Album aufgenommen. Es bietet einen Querschnitt durch dessen Schaffen. Neben einer Auswahl von Balladen, Nocturnes, Etüden, Walzern widmet sich Guy darauf unter anderem der dritten Sonate, der Fantasie und der Polonaise-Fantaisie. Für seine Einspielung wählte er einen Pleyel-Flügel von 1905 mit einem wunderbar warmen Timbre. Guy hält Chopin neben Wagner für den größten Komponisten, „da beide musikalische Revolutionen anzettelten“. Da darf die „Revolutionsetüde“, die Guy pianistisch hochsouverän und in aufrührerischem Impetus darbietet, natürlich nicht fehlen. Auch die C-Dur-Etüde op. 10/I meistert er mit stupender Brillanz und marmorner Klarheit. In der g-Moll-Ballade verzetteln sich viele Interpreten in agogischen Details, François-Frédéric Guy interpretiert das viel gespielte Werk strenger und stringenter als viele seiner Kollegen, ohne dabei der Monochromie zu verfallen. Auch die h-Moll-Sonate gelingt ihm ausgezeichnet: Kraftvoll pathetisch beginnt er den Kopfsatz, mit kristalliner Leichtigkeit gestaltet er das Scherzo, voller Poesie und kantabel das Largo. Eine großartige Chopin-Platte, eines Pianisten, der hierzulande mehr Beachtung verdient!

Mario-Felix Vogt, 11.02.2023

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