Chandos/Note 1 CHAN20192
(67 Min., 3/2022)
Im Booklet seines neuen, vierten Albums mit Klavierkonzerten Mozarts zitiert der Pianist Jean-Efflam Bavouzet den großen ungarischen Dirigenten Sir Georg Solti, der ihm riet, Mozarts Phrasen sanglich und legato, aber stets „im Takt“ zu spielen, also das metrische Gleichmaß nicht zu stören. Und genau diesen Rat befolgt der 60jährige Franzose, der schon immer durch seine rationale, aufklärerische Spielweise zu überzeugen verstand, auch diesmal bei den beiden späten, in jeder Beziehung einzigartigen Klavierkonzerten in c-Moll (KV 491) und in C-Dur (503), die 1786 mit jeder Konvention brillanter „Unterhaltung“ brechen, und mit sinfonischer Architektur in dunkelste Seelenbereiche vordringen (KV 491) bzw. eine Dramaturgie der Gegensätze verfolgen (KV 503).
Bavouzet aber bleibt auch in diesen extremen Arbeiten seiner aufklärerischen Grundlinie treu, und setzt mit fein austariertem, nicht zu dominantem Ton auf fließendes, gestisch ausgeformtes Legatospiel, das sehr schön die Balance wahrt zwischen struktureller Klarheit und beseelter Sanglichkeit, und verzichtet auf jedes demonstrative Pathos. Zugleich gelingt es ihm, mit der von Gábor Takács-Nagy souverän geführten Manchester Camerata die starke Opernnähe beider Konzerte als quicklebendigen, menschlich-pulsierenden Diskurs von gleichwertigen Akteuren auszuweisen, und so die niemals nachlassende Aktualität dieser Gipfelwerke zu bekräftigen: In der von Kenneth Broberg verfassten Kadenz zum Kopfsatz des C-Dur-Konzerts verwandelt sich das bekannte punktierte Seitenthema am Ende sogar in die „Marseillaise“. Das dürfte den französischen Aufklärer Bavouzet besonders erfreut haben.
Attila Csampai, 18.03.2023
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