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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Richard Strauss

Vier letzte Lieder, Finalszene aus „Capriccio“

Rachel Willis-Sørensen, Gewandhausorchester, Andris Nelsons

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(45 Min., 5/2021)

Man hat es nicht ganz einfach mit diesen „Vier letzten Liedern“ von Richard Strauss. Eigentlich ist der größte Teil von Strauss’ Liedern, die er in vielen Lebensjahrzehnten für Gesang und Klavier komponiert hat, sehr sprachaffin komponiert, sowohl hinsichtlich der rhetorischen Aussagekraft der Melodik als auch mit Blick auf die tatsächliche Textverständlichkeit beim Vortrag. Die „Vier letzten“ haben allerdings andere Dimensionen: Anstelle eines Klavieres begleitet ein groß besetztes Sinfonieorchester die Sängerin, und der zu bewältigende Stimmumfang umfasst zwei Oktaven – wodurch die Sopranstimmlage im oberen Bereich immer wieder an Grenzen der Vokal-Differenzierungsmöglichkeiten gelangt. Folglich ist der Text in praktisch jeder Version naturgemäß über weite Passagen nicht unmittelbar verständlich – das ist sehr bedauerlich, gerade weil er kompositorisch auf so vielfältige Weise „sprechend“ in die Musik des Orchesterparts eingeflossen ist, man höre und bestaune nur etwa die Herbstregenschleier, die die Instrumente über den Beginn von „September“ zaubern, während es heißt „kühl sinkt in die Blumen der Regen.
Wenn nun Rachel Willis-Sørensen in tiefer Lage den Vokalpart von „Frühling“ eröffnet, wird zumindest augenblicklich klar, dass eine so satte, offen geführte, große Stimme keinerlei Mühe damit haben wird, es in Sachen Lautstärke mit dem Orchester aufzunehmen. So weit, so gut. Leider jedoch zeigt sich schon beim ersten Anstieg in höhere Lagen, dass wir es mit einer sehr vibratoreich geführten Stimme zu tun haben; es ist jene Art von Vibrato, das nicht nur wellenartig um die gemeinte Tonhöhe kreist, sondern zumal bei größerer Lautstärke in höherer Lage mitunter gleichzeitig nebengeräuschhaft „anschlägt“. Dadurch geraten z.B. die ersten Aufschwünge im „Frühling“ recht sauer. Im „Abendrot“ hingegen, das dynamisch nur bis zu mittlerer Belastung geht und sich in nicht allzu hoher Lage bewegt, genießt man durchaus die dunkle, oft warme Klangqualität dieser außergewöhnlichen Stimme, die ja eigentlich prädestiniert für diese Lieder zu sein scheint. Ambivalent bleibt also das Hörerlebnis, und man flüchtet fast von den Liedern ins ebenfalls eingespielte „Capriccio“-Finale, weil man doch im Operngesang tendenziell etwas toleranter gegenüber der partiellen „Unwucht“ der Stimme zu sein bereit ist.

Michael Wersin, 25.03.2023


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