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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Jean-Baptiste Lully

"Les Divertissements de Versailles" (Grandes scènes lyriques)

Les Arts Florissants, William Christie

Erato/Warner Classics 0927-44655-2
(78 Min., 1/2002) 1 CD

Lully, der alte Opportunist, hat es wieder einmal geschafft. Zu Lebzeiten bootete er seinen mindestens so begabten Kollegen Marc-Antoine Charpentier beim Kampf um Einfluss auf Musik und Theater unter Ludwig XIV. aus. Und schon wieder zahlt sich Lullys Nähe zum Sonnenkönig aus: Sie machte ihn zum geeigneten Helden eines international beachteten Kostüm- und Kabalenfilms. Zwar mag "Der König tanzt" historisch und cineastisch zweifelhaft sein, doch via Soundtrack wurde der Name Lully jenseits des Spezialistenpublikums bekannt: mit viel Tanz und der poppig-aggressiven rhythmischen Attacke von Musica Antiqua Köln.
      Jetzt ist die Alternative zum Soundtrack erschienen: ausgerechnet mit Les Arts Florissants, Frankreichs führendem Ensemble für die Musik im Dunstkreis des Sonnenkönigs. Dessen Leiter William Christie hatte sich in der Vergangenheit mehr für Charpentier als Lully stark gemacht.
      Doch Marketingerwägungen hin oder her: Wer etwas von Lullys Werdegang vom Tanzeinlagen- zum Opernkomponisten erfahren will, erfährt es hier. Denn es wird nicht nur mit eleganterer Verve getanzt, sondern auch vielfältig und ausgiebig gesungen. Durchaus abgefahren sind die Einzelszenen aus dem wirr mythologischen Frühwerk "Isis" (1677): Da stellt Juno ihre Rivalin Io erst bei den Skythen kalt (den Frostchor ahmte später Purcell kongenial nach), um sie dann in der Schmiede der Chalybier zu brutzeln. Pan hingegen klagt so lange innig um Syrinx, bis Merkur ihn auffordert, das traurige Thema zu wechseln.
      Les Arts Florissants schaffen es, all dies mit jenem Grad von Pathos zu deklamieren, der die leichte ironische Distanz des Textdichters nicht verrät. Und jene berühmte Szene aus "Armide" (1686), in der sich die große Zauberin, den Dolch in der Hand, in ihren Feind Renaud verliebt, wird dank Rinat Shahams Deklamation zu einem wunderbar kontrollierten Entgleisen barocker Affektbeherrschung. Zu feinsinnig für einen Soundtrack, aber prima für den Film im Kopf. Schade, dass es nur Häppchen sind. Jetzt will ich die ganzen Werke hören: Mit dem Textbuch in der Hand.

Carsten Niemann, 01.09.2007


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