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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



Innerhalb von 13 Jahren fügte sich Krzystof Pendereckis Requiem zu liturgisch vollständiger Gestalt zusammen (freilich ohne dabei mit seiner endgültigen Länge von etwa 100 Minuten liturgisch verwendbar zu werden): Am Anfang stand zunächst das Lacrymosa (ein Teil der Sequenz), 1980 für Lech Wałesa und seine Gewerkschaft im Gedenken an den Aufstand der Danziger Werftarbeiter komponiert; es folgte 1981 das Agnus Dei zum Tod von Kardinal Wyszyński, das Recordare (ein weiterer Teil der Sequenz) 1982 anlässlich der Heiligsprechung von Maximilian Kolbe, dann 1984 das Dies irae zum 40. Jahrestag des Warschauer Aufstandes. Im Herbst desselben Jahres lag eine beinahe komplette Fassung vor, der nur noch das Sanctus fehlte, welches dann 1993 rechtzeitig zum Penderecki-Festival in Stockholm hinzugefügt wurde. Das Endergebnis ist ein Requiem von an Verdis oder Dvořáks Vertonungen erinnernden Ausmaßen; die großen romantischen Vorbilder sind außerdem auch auf stilistischer Ebene durchhörbar, denn Penderecki veranstaltet mit seinem gewaltigen Aufführungsapparat immer wieder (nicht nur beim Dies irae) gewaltigen sinfonischen Zauber, innerhalb dessen jene zeitgenössischen Kompositionstechniken, die Penderecki selbst einst mitentwickelt hatte, nur mehr vereinzelt eine untergeordnete, man möchte sagen Feigenblatt-artige Rolle spielen. Im Vordergrund stehen stattdessen u. a. große polyphone Entwicklungszüge, komponiert in einem hochchromatischen musikalischen Idiom, das nicht mehr tonal, aber auch nicht so richtig atonal ist. Wenn dies den Hörer anfangs im Introitus noch gefangen nimmt, so führt es im weiteren Verlauf doch immer wieder auch zu gepflegter Langeweile. Schwerstes wird den vier Solisten abverlangt: Mit ihren durch großen Ambitus und schwierige Intervalle geprägten Kantilenen erreichen sie stellenweise - etwa im Recordare - zwangsläufig eine ins existentielle reichende unmittelbare Expressivität, die anderswo im Stück durch epische Breite verfehlt wird.
Die im Nachgang des erwähnten Stockholmer Festivals unter Leitung des Komponisten entstandene Aufnahme des Stücks (Chandos/Codaex) bietet sich an zum Vergleich mit der Einspielung Antoni Wits aus dem Jahre 2003, die nun bei Naxos erschien: Wit verpflichtete mit der soliden Altistin Jadwiga Rappé und dem brillanten Bassisten Piotr Nowacki zwei der Solisten, die sich schon bei Penderecki bewährt hatten, auch für seine Produktion; hinzu kommt Izabela Kłosińska als Sopranistin, die das Niveau des Solistenquartetts gegenüber der Vergleichsaufnahme deutlich hebt. Die Chöre beider Aufnahmen haben hier und da ihre Probleme mit ihrer langen und komplexen Partie, die sich u. a. in Intonationsdifferenzen niederschlagen; beide Ensembles jedoch verstehen zuzupacken und jene geballte Wucht zu liefern, die der Komponist oft verlangt. Der Nationale Philharmonische Chor Warschau fügt sich zudem hervorragend in Antoni Wits differenziertes interpretatorisches Konzept: Wit nimmt es u. a. mit den dynamischen Schattierungen weitaus genauer als Penderecki selbst, und sein sorgfältig inszeniertes Klangbild gerät ihm im Vergleich oftmals deutlich tiefenschärfer und in der Wirkung fesselnder.

Michael Wersin, 01.09.2007


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