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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Sergei Prokofjew

Die Liebe zu den drei Orangen

Jean-Luc Viala, Vincent le Texier u.a., Chor der Oper Zürich, Orchester der Oper Zürich, Kent Nagano

Arthaus/Naxos 100 404
(106 Min., 1989) 1 DVD, PCM-Stereo; PAL 16:9

Prokofjews Opera buffa "Die Liebe zu den drei Orangen" hat nichts mit Onkel Dittmeyer zu tun, aber alles mit dem Theater - ist ein mehrfach ironisch gebrochener Blick auf die Bretter, die die Bühne bedeuten. Das begann schon 1761, als der venezianische Dichter Carlo Gozzi fand, die Commedia dell' Arte seines Kollegen Goldoni sei mittlerweile doch allzu ersteift (ungefähr wie eine Fliege in Bernstein), und das furiose Märchen "L'amore delle tre melarance" schrieb, bei dem das Publikum mitspielen durfte, um dessen Konsumhaltung ebenso aufzubrechen wie die längst geronnenen Typen der Commedia.
Und als der Sowjetflüchtling Prokofjew 1919 einen Kompositionsauftrag der Chicago Lyric Opera erhielt, wandte er sich genau diesem Sujet zu, mit der Absicht - er war ja noch jung! -, der ganzen Gattung "Oper" eine Nase zu drehen. In dieser 1989er-Produktion aus Lyon, musikalisch vom Feinsten, ist vom mitspielenden Publikum Gozzis (natürlich) nichts mehr übrig geblieben, und das "Theater auf dem Theater" gibt fast nur noch zu Beginn Zeichen - wenn der rote Vorhang noch geschlossen ist, die Titel laufen und dazu Handwerker hämmern, sägen oder bohren, als sei das Bühnenbild kurz vor der Premiere gerade noch im Entstehen.
Der Regisseur verzichtet auch auf nahezu alles Märchenhafte, die Geschichte ereignet sich nicht im Reich der fleischgewordenen Spielkarten, sondern im modernen Kostüm - falls man eine Garderobe der gehobenen Schichten von zirka 1920 noch "modern" nennen darf. Dem flotten Werk geht so ein bisschen die Puste aus, man wünscht es sich frenetischer, aber auch hintersinniger; so wie es auf dieser DVD steht, wirkt es in gewisser Weise wie das, was Gozzi und Prokofjew gerade nicht wollten: gefroren in einem Tropfen Bernstein.
Natürlich gibt es Höhepunkte. Der alte Gabriel Bacquier zum Beispiel kann nur noch mit einem Tremolo von zirka einer Anderthalb-Minuten-Amplitude singen, doch rein visuell darf man sich den "König der Karos" nicht passender vorstellen. Aber was soll's, einzelne hervorzuheben - keiner erwartet hier Belcanto, keiner drei oder wie viel Tenöre, die von Fußballstadion zu Amphitheater touren. "Die Liebe zu den drei Orangen" ist eine Ensembleoper, und ein wunderbar zusammengeschweißtes Ensemble führt sie hier auch auf. Musikalisch haut das hin, szenisch könnte man sich auch eine Handvoll anderer Lösungen vorstellen.

Thomas Rübenacker, 01.09.2007


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