Vergesst die Schemata. Jeder Song hat seinen eigenen Charakter, und manchmal verlangt auch jede Strophe ihren eigenen Ausdruck. So lässt sich das Credo des Trios um den amerikanischen Pianisten Bill Carrothers beschreiben. Weder er noch der Bassist Ben Street und der Drummer Ari Hoenig begnügen sich mit den gängigen Formeln der Trio-Interpretation. Elf Stücke bilden das Repertoire; den Titelsong gibt es – wie eine Klammer – als Eröffnungs- und Schlussnummer in zwei völlig unterschiedlichen Interpretationen. Die erste symbolisiert heiteren Tatendrang, während die zweite – wesentlich langsamere – wie ein besinnlicher Abendausklang wirkt. Thelonious Monks "Evidence" verliert bei diesen dreien seine ursprünglich sperrige Atmosphäre und wird zum vehement voranpreschenden Parforceritt, in dem sich die Varianten des Monk’schen Themas zu dichten Wirbeln im Strom der Rhythmusgruppe verwandeln. Aus "My Dreams Are Getting Better All The Time" machen sie eine fröhliche Zirkusnummer mit freien Zwischenspielen und überraschenden Wendungen. Sakral wirkt dagegen Carrothers’ "Church Of The Open Air". Dieses Trio verzichtet auf all die modischen Soundspielereien, auf die Nähe zum Pop und dessen Rhythmen. Carrothers, Street und Hoenig beherrschen die altmeisterliche Kunst, ihr Spiel auf dem Instrument so fein zu nuancieren, dass die unverfälschten Klänge einen Kosmos an Gefühlen öffnen – von feinen, fast brüchigen Tönen bis zu festen, die eine Passage so fest verankern, dass die übrigen Töne frei in den Raum wehen können. Und dabei haben sie so viel Witz, dass die Einleitung von "Say It Isn’t So" wie in der Wut herausgeschleudertes Stottern wirkt, bevor eine Schimpfkanonade und Ratlosigkeit folgen. Dem Trio gelang ein Meisterwerk, das angenehm ins Ohr geht und dabei enorme Tiefe besitzt.
Werner Stiefele, 01.09.2007
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