Hyperion/Koch CDA 67091/2
(140 Min.) 2 CDs
Nikolai Demidenkos Verdienste um die Virtuosenmusik des 19. Jahrhunderts, um Liszt, Rachmaninow und Medtner, sind unbestritten. Er zählt zum rar gewordenen Typus des „nachdenklichen“ Virtuosen, und er investiert lieber zu wenig als zu viel Gefühl. Während diese intellektuelle Askese bei Liszt und Rachmaninow zuletzt zu frappanten Resultaten führte und hinter allem Klangzauber tiefschürfende kompositorische Reflexion freilegte, verfehlt Demidenkos Konzept „spröder Virtuosität“ bei Schubert den Kern von dessen musikalischen Botschaften.
Schubert ist der tiefgründigste Psychologe seines hoffnungslosen Zeitalters und alle in seiner Musik niedergelegten Ängste und Seelenqualen erschließen sich nur über emotionale „Offenheit“. Demidenko aber bleibt ganz zu, ganz cool, und glaubt, mit kühl glitzernder, maschinenhaft-präziser Virtuosität nach dem hinter aller lyrischen Geste verborgenen philosophischen Kern suchen zu müssen, den er als dekadente Lebens-Müdigkeit auszumachen meint. Doch Schuberts Klanglichkeit ist nicht atmosphärisch, keine Spielwiese für Klangzauberer, keine romantische Zutat, kein Blendwerk, das man nach Belieben einfach reduzieren kann, sondern untrennbarer Wesensbestandteil seiner musikalischen Identität, und so führt Demidenkos Radikalkur unabsichtlich zum Seelenexitus seines Patienten.
Die Wanderer-Fantasie wirkt wie eine überdimensionale Liszt-Etüde, ein „Faustischer“ Gewaltakt, die Impromptus verblassen zu idyllischen Kaminstücken ohne jegliche Verzweiflungsenergie: Todesangst und Todessehnsucht sind eben doch zwei Paar Stiefel.
Attila Csampai, 01.09.2007
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