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N° 1354
20. - 28.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Maurice Ravel

Gaspard de la nuit, La valse u.a.

Juan José Chuquisengo

Sony 87854
(51 Min., 1/2002) 1 CD

Der Peruaner Juan José Chuquisengo lernte Klavier zu spielen, wie jedes Kind es lernen sollte: Improvisatorisch und im Aneinanderbasteln von ländlicher Folklore, nicht als stures Auf-und-Ab von Tonleitern und Etüden unter der Knute eines Klavierlehrers. Er spielte in Bars, Kneipen und Kirchen, um sich sein erstes Studium in Lima zu verdienen, denn den Eltern schmeckte das gar nicht, dass ihr Sohn "professioneller Musiker" werden wollte - in der peruanischen Provinz stand das noch für "Hunger".
Schließlich wagte Chuqisengo den Sprung nach München, wo er nicht nur die Hochschule für Musik und Theater besuchte, sondern auch seinen großen Förderer Sergiu Celibidache kennen lernte, der ihn - natürlich! - dazu animierte, nicht nur ein musikalischer Fachidiot zu bleiben, sondern auch Philosophie zu studieren (und alles, Leben, Wissenschaft und Kunst, in Beziehung zueinander zu setzen)!
Es hat sich gelohnt. Chuqisengo kann nicht nur staunenswert Klavier spielen, sein Ravel-Spiel hat auch, neben der poetischen und der brillanten, noch eine ungewohnt spirituelle Dimension. Die gibt sogar Zeichen im "unwichtigsten" Stück der Sammlung, der sattsam bekannten "Pavane": Wie Chuquisengo zu Beginn die Begleitfigur der linken Hand "streng wie ein Kondukt" nimmt, dazu geradezu "naiv" (die tote Infantin war schließlich noch ein Kind), das schafft einen atmosphärisch exakten "Raum", der bereits das Stück neu und einleuchtend erhellt (und bei späterer "festlicher" Aufspreizung herrliche Steigerungsmöglichkeiten lässt).
Das Märchenballett von der "Mutter Gans" wird sehr subtil und dennoch bildkräftig abgetönt, der "Scarbo" entfesselt Urgewalten, die ganz aus dem Zwielicht des Mysteriums heraus entwickelt werden, und im abschließenden "La valse", einer Eigenbearbeitung für zwei Hände (Ravel selbst brauchte dazu noch vier), erklimmt Chuquisengo einen so schlagkräftigen und volltönenden Gipfel, dass man ihn nicht nur keuchen sieht, sondern auch die finale Implosion der Musik ihre Schatten vorauswirft.
Eine erstaunliche Ravel-CD von einem bisherigen Außenseiter des Musikbetriebs, der sich allerdings rar machte, um seine Kunst zu verfeinern, indem er sein Menschsein reifen ließ. Das tröstet einen über die schnellen Erfolge von jungen und jüngsten "Tastenlöwen" hinweg, die immer rascher nachwachsen, deren Interpretationen aber oft nur mit Spucke angeklebt sind.

Thomas Rübenacker, 01.09.2007


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