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N° 1354
20. - 30.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Future 2 Future - Live

Herbie Hancock

Sony BMG 201812-9
(104 Min., 2002) 1 DVD

Der Mann ist ein Chamäleon. Als Herbie Hancock den "Future Shock" ausrief, war er mit dem Hit "Rockit" der Zeit voraus. Die Konzerte seiner Band “Future2Future” waren nach eigenem Höreindruck in Stuttgart und Zeitungsberichten aus anderen Städten übersteuert und nur schwer genießbar. Die DVD-Aufzeichnung aus der Knitting Factory von Los Angeles belegt hingegen, dass die Band durchaus Substanz besaß. Mehr noch: Jetzt plötzlich wirkt die Musik dicht, intensiv und spannungsreich. Einfallsreich und souverän bewegen sich Herbie Hancock am Flügel und den Keyboards sowie der Trompeter Wallace Roney in dem akustischen Gewimmel aus den Scratches und Samples von DJ Disk sowie den knackigen Rhythmen des Bassisten Matthew Garrison am Bass und der phantastischen Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington. Fülle erhält dieses heiße Gebräu auch durch Darrell Diaz, der an den zweiten Keyboards Flächen legt und Akzente ins Spiel streut. Dieses Sextett rührt einen brodelnden Hexenkessel an, den psychedelische Projektionen auf dem Bühnenhintergrund im Stil der frühen 70er Jahre illuminieren. Dies ist kein Zufall, denn hätte Herbie Hancock auf DJ Disk verzichtet, entspräche das Konzept weitgehend dem Rockjazz jener Jahre. Aus jener Zeit stammt das bezaubernde - jetzt durch differenziertere Rhythmusarbeit erweiterte "Butterfly". In der langsamen Einleitung erzeugt Wallace Roney mit markanten Trompetentönen einen Hauch von Miles-Davis-Flair, das jedoch bald in Hancock'scher Fusion aufgeht. Mit einem packenden "Chameleon" und einem herrlich ausgedehnten "Dolphin Dance" schlägt er zudem Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Als Bonustracks bietet die Disk das Video zu "Rockit" und Interviewausschnitte über die Band. Schade, dass Herbie Hancock nicht darauf verzichten konnte, anfangs das Ende des Zeitalters von Knowledge und Technology auszurufen und Wisdom und Philosophy als Sinn der neuen Ära zu propagieren. Seine Privatphilosophie ist wesentlich banaler als die Musik. Die Bildregie illustriert - oft mit kurzen, aber keinesfalls überhasteten Sequenzen - die Entwicklung der Musik. Dabei gelang es Kameraleuten und Beleuchtern sehr gut, die Konzert-Atmosphäre in unaufdringlichem, wirkungsvoll gesetztem Licht einzufangen.
Den "Dolphin Dance" gibt es noch auf einer zweiten DVD zu hören, dem Konzertmitschnitt "Herbie Hancock Trio - Recorded Live At The Munich Philharmonie" (TDK JHHTRIO, Spieldauer: ca. 58 Min) vom 11. Juli 1987, in der Münchner Philharmonie Gasteig. Auch hier dauert die Nummer 21 Minuten, wobei er hier im Trio mit dem Bassisten Buster Williams und dem Schlagzeuger Al Foster den Tönen eingangs viel Raum und Zeit zur Entfaltung lässt, später das Thema verdichtet und es schließlich in einem wilden Tanz in der tosenden See münden lässt. Dieser Konzertmitschnitt ruft ins Gedächtnis zurück, welch brillanter Pianist der zwischen Pop und Jazz schwankende Tausendsassa tatsächlich ist. Die unaufdringliche, eher anspruchslose Bildregie zeigt gelegentlich die Interaktion der Akteure, konzentriert sich ansonsten aber auf Portraits und Nahaufnahmen der Hände und Finger von Hancock, Williams und Foster.

Werner Stiefele, 01.09.2007


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