"Viva Caruso" ist nicht nur die Verbeugung eines Jazz-Tenoristen vor einem Opern-Tenor, sondern wohl ein Stück weit auch Suche nach den eigenen Wurzeln. Joe Lovano wird dieses Jahr fünfzig - vielleicht ein Anlass zurückzublicken, und zwar gründlich: hundert Jahre. Dabei stellt der Italo-Amerikaner Lovano eindrucks- und ausdrucksvoll unter Beweis, dass die im Jazz so vielbeschworenen "roots" nicht unbedingt immer am Mississippi-Delta liegen müssen. Bei Lovano liegen sie hörbar auch im Land des Belcanto, der singenden Gondolieri und wilden Tarantella-Tänzer.
Ohne Umschweife: Es ist eines von Lovanos "schönsten" Alben - ein von seriösen Kritikern gemiedenes Attribut, das sich aber geradezu aufdrängt. Das Album ist lyrisch ("la lirica" nennen Italiener oft die Oper), ausbalanciert, reich an Empfindung und Abwechslung. Nur für das freudig-erregte, fröhlich-lärmende, leichtherzig-jublierende Italien, wie es unzählige Touristen in ihren Herzen tragen, kann oder will Lovano nicht so recht den Ton finden. Selbst dem Karneval fehlt hier das Unbeschwerte. Und das hat wohl seinen Grund. Lovano ist kein Tourist, aber er lebt auch nicht mehr im Lande seiner Väter.
Das von Joe Lovano beschworene Italien gibt es fast nur noch in der Erinnerung, und was heute noch davon übrig ist, ist vom "Village Vanguard" weiter weg als der große Teich dazwischen an Kilometern misst. So liegt mehr als ein Hauch von Nostalgie über diesem Album - eine Nostalgie, die ganz ohne Sentimentalität auskommt. Die von mir unterstellte Sehnsucht nach unwiederbringlich vergangenen Tagen, der verlorenen Heimat, die Ausdruck findet in der impressionistischen Klangpalette des Arrangeurs Byron Olsen (in der auch das musikantische Akkordeon Gil Goldsteins einen Platz hat), geht trefflich einher mit ihrem Gegensatz, Lovanos Liebe zur Neugestaltung. Selbst "Santa Lucia" und "O sole mio" klingen anders als je zuvor.
Marcus A. Woelfle, 16.05.2002
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