Lassen Sie sich nicht von der Aufmachung und der nichtssagenden kurzen Textbeilage abschrecken, die dem Hörer nicht einmal verrät, wann dieses letzte Konzert in Avignon stattgefunden hat! Die Musik ist besser als ihre Verpackung.
Zwar hat gerade Davis während dieser mehr als hundert Minuten Musik schwache Momente, in denen sein Spiel kraft- und lieblos, trötig und im allgemeinen Funk-Gehacke deplaziert wirkt — Momente, in denen man sich einreden muß: Das ist Miles, der einst „Kind of Blue“, „Porgy and Bess“, „Bitches Brew“ und viele andere Meisterstreiche vollbracht hat! Doch läßt man sich näher auf das elektronische Spätvermächtnis von Miles ein, so entdeckt man — zunehmend — die positiven und aufregenden Seiten dieser späten Aufnahmen: Miles’ kühlen Minimalismus, seinen Sound und den großen Komponisten.
Vielfach tun sich — allen Unterschieden zum Trotz — auch Bezüge zu früheren Phasen des Miles Davis auf. So funktioniert die in ihren Sternstunden wirklich aufregende Band mit ihren zwei omnipräsenten Keyboardern (R. Irving III und Adam Holzman) gelegentlich wie eine ins elektronische Zeitalter des Funk und Jazz-Rock versetzte Gil-Evans-Big-Band. An der Gitarre, der Miles Davis seit Hendrix größte Bedeutung beimaß, erinnert Foley McCreary mit hohem Soloanteil stark an seinen Band-Vorgänger Mike Stern; Darryl Jones spielt den Bass so minimalistisch wie Miles seine Trompete; Kenny Garrett bedient Flöte und Altsax.
Claus Lochbihler, 30.04.1996
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