col legno/helikon harmonia mundi 20211
(63 Min., 1/2002) 1 CD
"Ich bin ein Komponist, der mit Nervenenden komponiert und nicht nur mit dem Bleistift." Mit diesem Werkstatt-Motto hat Wolfgang Rihm bislang gegen alle musikideologischen Strömungen verstoßen. Und vor allem hat er damit mittlerweile einen Werk-Katalog aufgebaut, in dem nahezu alle Gattungen dieses offensive Bekenntnis zur Gefühlsregung und -erregung bestätigen. Eine geradezu seismografische Rolle spielt dabei das Streichquartett, mit dem Rihm von Beginn seiner rapiden Komponistenkarriere an musikalische Konflikte und Reibungsflächen sucht und befragt. Seit dem Quartett Opus 1, das der 18-jährige Rihm 1970 als sein offizielles Opus 2 komponierte, sind so mittlerweile weitere elf Quartette entstanden, in denen er seine Klangrede neo-expressionistisch und mit heftig lyrischen Pendelschlägen bis hin zu aktionistischen Brüchen aufflackern lässt.
Wenn das deutsche Minguet Quartett jetzt den ersten Teil der Einspielung sämtlicher Quartette Rihms vorlegt, so kann das natürlich nur eine Zwischenbilanz des erst 51-Jährigen sein. Die aber meistert das Minguet Quartett mit einer spieltechnischen Souveränität und geistigen Spannung, wie man es bisher nur vom Arditti Quartett gewohnt war. Und obwohl die Aufnahmetechnik manchmal leider den Klang eines Streichorchesters suggeriert (besonders der 1. Satz des 4. Quartetts), ist nun hautnah mitzuerleben, wie der junge Rihm bereits in den einsätzigen Quartetten Nr. 1 und 2 jene ausdrucksstarke Dringlichkeit beherrschte, die ab dem 3. Streichquartett "Im Innersten" erstmals zum extremen Wechselspiel aus dissonanten Klanggestalten und provozierend wie verstörend spätromantischen Kantilenen wird. Rihm besaß schon da in seinem ständigen, doppelbödigen Vor- und Zurücktasten eine plastische Kraft, die jenseits des elitären Musikdenkens zupackt.
Guido Fischer, 05.07.2003
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