Deutsche Grammophon 449 967-2
5 CDs
Das nenne ich Zielstrebigkeit: In sechs Jahren hat Mikhail Pletnjew, vormals einer der Vorzeigepianisten der russischen Klavierschule, den Wechsel von der Klaviatur zum Taktstock so konsequent durchgezogen, dass er und das 1990 von ihm gegründete Russische Nationalorchester jetzt sogar in die erste Reihe der Gelbetikett-Stars vorgerückt sind. Tschaikowskis gewaltiges sinfonisches Werk soll nun diese neue Starrolle bekräftigen, und in puncto Präzision, rhythmische Prägnanz und klangliche Homogenität muss man dem ehrgeizigen Sibirier exzellente Aufbauarbeit bescheinigen.
Weniger bezwingend ist dagegen die musikalisch-künstlerische Ausbeute des Unternehmens: Denn der äußerst akribisch zu Werke gehende, kühle Präzisionsfanatiker will offenbar nicht zur Kenntnis nehmen, dass er es mit einem lebendigen, atmenden Klangkörper zu tun hat. Er setzt auf militärische Disziplin, Ordnung und Drill, auf alte sowjetische Tugenden, und gefällt sich als Virtuose auf dem großen Orchester-Flügel. Die Tempi sind metronomisch und sehr flott (mit einem Hang zur demonstrativen Rekordsucht wie im Scherzo der Sechsten), aber der Klang ist grau, steril, unbelebt und eindimensional, und lässt kaum etwas durch von dem Überfluss an Seelenenergie, Schmerz, Leidenschaft und Grandiosität. Tschaikowskis Psychodramen bleiben eingeschweißt, eingefroren im Eispanzer einer sibirischen Winternacht, eiskalt — und ohne jedes Geheimnis.
Attila Csampai, 31.05.1996
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