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N° 1353
13. - 24.04.2024

nächste Aktualisierung
am 20.04.2024



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Peter Iljitsch Tschaikowsky

"Illusionen - Wie Schwanensee"

John Neumeier (Choreografie), Hamburger Ballett, Hamburger Symphoniker, Vello Pähnt

EMI 4 92717 9
(171 Min., 5/2001, 6/2001)

Heutzutage geht offenbar kein 1:1-"Schwanensee" mehr, höchstens an Weihnachten von irgendeiner Wanderbühne "mit Solisten aus Paris, St. Petersburg und Preßburg". Wenn John Neumeier an der Hamburger Staatsoper sich dazu herablässt, muss das Unterfangen mindestens "Illusionen - Wie Schwanensee" heißen und das Vieh sozusagen enzyklopädisch in die Mangel nehmen: Schwanenritter, Neuschwanstein und "Im Land der wilden Schwäne", fehlt nur noch "Der Schwanendreher" von Hindemith, dann würd's eng im Karpfenteich, Pardon: Schwanensee.
      Natürlich hat die originale Tschaikowsky-Geschichte um Verrat und Sühne, Verblendung und Erlösung auch mit Ludwig II. zu tun und seiner Biografie voll Prä-Disneyland-Zuckerbauwerk, Todes-Mysterium und Legenden-Ranke. Aber ein bisschen überlädt man das anmutig-dunkle Märchen von den weißen und den schwarzen Schwänen, wenn man damit am liebsten gleich noch "Lohengrin" bebildern würde (worin es, zugegeben, natürlich auch Parallelen gibt).
      Ich bin kein Verfechter der Schule "Marius Petipa oder nichts", sage also nicht, die Tschaikowsky-Ballette müssten für alle Zeiten so aufgeführt werden, wie Petipa sie aus der Taufe hob - aber beim "Schwanensee" sind doch Musik und Märchen atmosphärisch so verbandelt, dass es manchmal wehtut, der Musik das Richtfest von Neuschwanstein aufgepfropft zu sehen, den Oberammergau-Kitsch oder, auch das, eine Volksgaudi, die eher an das US-Musical "Seven Brides For Seven Brothers" erinnert.
      Natürlich choreografiert John Neumeier so virtuos wie stets (negativ formuliert: so glatt), Jürgen Rose schuf eines seiner lukullisch-luxuriösen Bühnenbilder, die Tänzer sind (weitestgehend) perfekt, langweilig wird einem nie, und die DVD wartet mit der Besonderheit auf, dass man sich den Klang entweder auf die Position des Dirigenten regeln kann oder auf einen guten Sitzplatz im Auditorium. Was fehlt, ist eigentlich nur eines: Magie. Aber um die geht's eben bei "Schwanensee" ... Wurde der Titel deshalb um das Wort "Illusionen" erweitert? Wer glaubt, hiermit das Ballett zu erstehen, gibt sich einer Illusion hin - wenn auch einer glänzenden.

Thomas Rübenacker, 01.09.2007


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