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N° 1354
20. - 26.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Giuseppe Verdi

La Traviata

Anna Netrebko, Rolando Villazón, Thomas Hampson, Wiener Philharmoniker, Carlo Rizzi

DVD DG/Universal 0734196
(132 Min., 2005)

Es ging zu wie in den 50er Jahren, als Opernstars noch Weltstars waren, noch höher angesehen als Filmdiven und im Übrigen ohnehin konkurrenzlos. Die Schwarzmarktpreise explodierten, erwachsene Frauen und Männer führten sich auf wie Teenager, als es darum ging, eine Karte für die "Traviata" der Salzburger Festspiele 2005 zu ergattern. Eine einzige Frau verursachte das Chaos in den Herzen, Hirnen und Portemonnaies der Klassikliebhaber: Anna Netrebko, die unschuldig-lockere Antidiva aus St. Petersburg, die deshalb sogleich mit der Callas verglichen wurde, obwohl sie ihr weder stimmlich noch charakterlich besonders nahe steht. Gleichwohl, die Mehrheit der Fans ging natürlich leer aus und musste sich mit der Fernsehaufzeichnung begnügen, die nun in der Regie von Brian Large auf DVD erschienen ist. Vorweg kann man sagen: Diese aus mehreren Abenden zusammengeschnittene Filmaufführung ist ein respektabler, wenn auch nicht vollgültiger Ersatz für die Livedarbietung. Ein Problem allerdings entfällt auf dem Bildschirm: die sich ins schier Endlose verlierende Überbreite der Bühne im Großen Festspielhaus, die Regisseur Willy Decker in seinem blassen Halbrund mit Sitzrampe gar nicht erst zu kaschieren versucht. Genüsslich schlendert die Kamera da entlang, dreht sich am Ende, am rechten Bühnenrand, sanft ins Zentrum und macht damit wie selbstverständlich klar, dass sie eine eigene, publikumsfremde Perspektive einnehmen wird. Eine ganze Weile behauptet sie diesen persönlichen Blickwinkel, nähert sich, fährt wieder kaum merklich zurück, und die musikalischen Schnitte - weit entfernt vom früheren Bildwechsel auf dem ersten Taktschlag, oft angenehm antizipierend - unterstützen den ruhig federnden Bildrhythmus. Filmregisseur Brian Large geht aber noch weiter, verfolgt Drama und musikalischen Verlauf, erfüllt mit sicherem Gespür den Wunsch des Betrachters: Wann will man es ganz genau sehen, wann will man die klug inszenierten Bewegungsabläufe der Darsteller verfolgen, wann braucht man den großen Überblick. Und dann, als die Netrebko ansetzt zu "Addio, del passato bei sogni videnti", da macht sich die Kamera plötzlich mit dem zentralen Blick des Zuschauers gemein, blickt der am Boden liegenden Netrebko direkt in die Augen, rückt näher, schreckt ein wenig zurück, überschreitet schließlich die Anstandsgrenze und ist ganz bei ihr, hängt an ihren Lippen, kriecht in ihre Augen. Ein kurzer, großer Moment, in dem wir durch die Musik hindurch in die Seele der Netrebko schauen dürfen, so scheint es, und für einen Augenblick fühlt man sich dem Livezuschauer ein klein wenig überlegen.

Helmut Mauró, 01.09.2007


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