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N° 1354
20. - 29.04.2024

nächste Aktualisierung
am 27.04.2024



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Eugène Ysaÿe

Sonates pour violon solo

Thomas Zehetmair

ECM/Universal 1835
(9/2002)

1924 komponierte der belgische Geigenvirtuose Eugène Ysaÿe sechs Sonaten für Violine Solo; dabei brachte er seine violintechnische Erfahrung aus einer langen, inzwischen beendeten Virtuosenkarriere umfassend zum Einsatz. Der Rekurs auf Johann Sebastian Bachs Sonaten und Partiten ist evident und schlägt sich auf vielfältige, mehr oder weniger deutliche Weise auch allenthalben in der Musik nieder. Ysaÿe begnügte sich jedoch nicht damit, der Bach'schen Werkgruppe gewissermaßen ein "modernes" Pendant gegenüberzustellen; er widmete jede der sechs Sonaten außerdem einem Geiger seiner Zeit und berücksichtigte dabei jeweils deren künstlerischen Charakter, ihre Vorlieben, spieltechnischen Stärken etc. So endet etwa die sechste, dem Spanier Manuel Quiroga gewidmete Sonate mit einer Habanera, und die vierte klingt unverkennbar an den Stil der Kompositionen ihres Widmungsträgers Fritz Kreisler an.
Thomas Zehetmair, der nun eine furiose Gesamteinspielung aller sechs Sonaten vorlegt, hat diese Musik wahrhaft in sich aufgesogen; seine offenkundig äußerst intensive und tiefgreifende Beschäftigung mit den sechs Sonaten zahlt sich aus, denn sie führte zu einer äußerlich wie innerlich konsequent und schlüssig durchgestalteten, insgesamt fesselnden Einspielung. Zehetmair übertrifft Baiba Skrides Version der ersten Sonate, vorgelegt kürzlich in ihrem Solo-Debüt (Sony), mittels größerer interpretatorischer Reife und Erfahrung; das Fugato z. B., der zweite Satz, gerät bei Skride vor allem schlichtweg als - technisch beachtlich gemeistertes - Fugato, während Zehetmair mit seiner streckenweise geisterhaft-unruhigen Herangehensweise gleichzeitig Ysaÿes Bezugnahme auf Bach reflektierend und meditierend zum Thema macht. Deutlich dichter, spannungsreicher und verinnerlichter als Maxim Vengerov (2002 für EMI) gelingt Zehetmair etwa der zweite Satz ("Malinconia") der zweiten Sonate, und im Finale derselben Sonate ("Les furies") versteht er auch seine virtuose Energie organischer zu bündeln und die Kontraste schärfer zu fassen als Vengerov. Doch nicht nur im Vergleich, sondern auch im unabhängigen Hörerlebnis zeigt sich Zehetmairs hohe nachschöpferische Kompetenz in jedem Augenblick: Er hat sich Ysaÿes Sonaten in überzeugender Weise zu eigen gemacht.

Michael Wersin, 01.09.2007


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